Jeanne Moreau ist nicht mehr „Viva Maria!“

Jeanne Moreau (Quelle: imdb.com)

Ich bin traurig. Die resolute Dame aus Frankreich, die mir immer wieder filmisch über den Weg lief und mein Bild der selbstbewussten, etwas distanzierten und trotzdem empathischen Französin im Film prägte, lange bevor ihr dann andere Damen wie Catherine Deneuve, Fanny Ardant oder Isabelle Huppert folgten. Für mich als Schauspielerin und Frau der Gegenentwurf zu ihrer bekannteren Zeitgenossin Brigitte Bardot, die mit Schmollmündchen und unsäglichen Filmen wie „Und ewig lockt das Weib“ nicht lange brauchte, um erst bekannt und danach vergessen zu werden.

Meine früheste (und lebhafteste-) Erinnerung ist ihre Rolle der weiblichen Che Guevara aus Irland in „Viva Maria!“ von Louis Malle, einer wirklich derben Revolutionskomödie. Heute undenkbar: Mit strahlendem Lächeln, Brust und Bein und wehendem Langhaar zerstört und bombt Moreau hier gegen die Diktatur und ist dabei ganz Dame. Mitte der 60er Weiterlesen

Kriegerin von der SPD

Gestern zeigte die lokale SPD-Abteilung im Xenon den Film „Kriegerin (2011)“ des jungen Regisseurs David Wnendt. Der noch vor Bekanntwerden der NSU-Morde abgedrehte Film lief am 19.01.2012 an und zeigt atmosphärisch dicht die Entwicklung zweier Frauen auf, die sich als „Nazibräute“ im Umfeld einer ostdeutschen Naziclique bewegen.

Mich faszinierten viele Details, etwa die beeindruckende Hauptdarstellerin Alina Levshin  mit ihrer Bockigkeit und Gewalttätigkeit oder auch die Locations von den Ruinen in Prora über den Elbstrand bei Dessau-Roßlau, einen unglaublich piefig-provinziellen Supermarkt und aufgelassene ehemalige Russenkasernen. Selbst der uralte rote VW-Golf II, der erst als Werkzeug eines Mordversuchs und danach als immer wieder nicht anspringendes Fluchtfahrzeug dient wirkt wie unmittelbar aus der deutschen Provinz herbei geholt. Sicherlich ist der Film „bunter als das Leben“, die Nazis sind bis zur Folklore tätowiert, amateurhaft, grell und trinkfreudig. Das wird dem Film oft vorgeworfen – wie ich meine zu Unrecht. Ein Spielfilm ist keine Wirklichkeit und soll auch keine Wirklichkeit sein. Und der Film über die stille, organisierte und subversive Mordserie des NSU-Trios muss erst noch gemacht werden.

Schön und unbedingt wiederholungsbedürftig – Kiezkino im Xenon sollte zur Regel werden!

[rating: 4]

Larry Flynt & Miloš Forman

Larry Flynt  – die nackte Wahrheit (1996)

Gestern kramte ich im Heimkino mehr zufällig diesen Film heraus
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und war sehr überrascht:

Was als leicht zotige Porn-Parody mit der zuverlässig sich selbst spielenden Courtney Love als Ehefrau Flynts beginnt, steigert sich unter der gekonnten Regie von Miloš Forman zu einer packenden Charakterstudie. Und wird am Ende (in einer wirklich genialen Gerichtsszene) zum besten „Court-Film“, den ich seit Jahren gesehen habe.

Mit (wie immer bei Forman, mit dem ich gern einmal seine Plattensammlung durchgehen würde) fantastischer Musik, die auf höchstem Niveau unauffällig filmdienlich eingesetzt wird. Wie beispielsweise bei der baptistischen Taufe Flynts, die von einem geradezu Weiterlesen

Dominik Graf schreibt über Homicide

Ein renommierter deutscher Fernsehregisseur schreibt über eine amerikanische Krimiserie

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Die Serie Homicide – The Complete Series [DVD]  ist für einen Serienführer von nicht viel mehr als 100 Seiten Umfang ein hartes Thema.  Die  zwischen 1993 und 1998 im Auftrag des amerikanischen Senders NBC  in sieben Staffeln abgedrehte Serie hatte immerhin mehr als 120 Episoden und  stand mehrfach vor dem Aus. Der deutsche Regisseur und Cineast Dominik Graf hatte daher genug damit zu tun, den Gang  der Serie und deren wesentliche Inhalte knapp zu beschreiben. Er listet die in späteren Staffeln häufiger wechselnden Darsteller auf, beschränkt sich ansonsten auf die abrissartige Darstellung der einzelnen Staffeln und beschreibt stichpunktartig diejenigen Episoden, welche ihm (und mir) bemerkenswert erscheinen. Immerhin haben bei einzelnen  Episoden so renommierte Regisseure wie Steve Buscemi und Kathryn Bigelow (beides Oscar-Preisträger) Regie geführt. Und die Darsteller überbieten sich immer wieder in grandiosen Schauspielerleistungen (die Serie hat viele Emmys – den amerikanischen Fernseh-Oscar) gewonnen. Weiterlesen

Christopher Walken is interesting

There are great american actors, whose parents came from germany. Peter Lorre, Oskar Werner and Christopher Walken. Not only the devilish opposer of James bond, but smooth young man in many shakespeare dramas, musical star in younger years, funny old man in „Hairspray“ – and he can even dance. Tapdancing like hell so even Fred Astaire and Gene Kelly honored him.

In 1995 he was interviewed at Actor’s Studio. See:

Less serious, but even more revealing – his dance-overload (watch to the end!):

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Fritz Lang "M" – ein Film, der alle Filme ist

Eben in unserem Heimkino: „M“ – ein schwarzweißes Meisterwerk von Fritz Lang aus dem Jahr 1931.

Jeder hat davon gehört, die meisten ihn nie ganz gesehen. Lohnt sich aber:

Beklemmend und witzig, unglaublich durchdacht. Es stimmt und fasziniert fast jede Einstellung. Und der Film hat Alles: Grusel, Krimi, derbe Komödie, Metapher (zwei unterschiedliche Gesellschaften mit gleichen Methoden, die Verfolgung Andersartiger), Lokalkolorit (Berlin mit Kneipe und Straße) und zuletzt gibt es großes „Court Drama“ mit offenem Ende und Appell an die Menschlichkeit. Und diese trickreichen Einstellungen. Lange Kamerafahrten, skurrile Details (Einbruchswerkzeuge, hunderte von Rauchartikeln) – da gibt es immer wieder was zu entdecken. Die Statisten bewegen sich mit der Grazie von Tänzern. Jede Nebenrolle bestens besetzt. Der damals noch junge Gustav Gründgens unglaublich physisch und bedrohlich als der „Schränker“. Mio – großes Kino!

JJ Cale – To Tulsa and back (DVD)

Dicht dran an JJ on the road – das Leben, die Straße und der Rest

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Dieser Dokumentarfilm folgt dem mittlerweile 65jährigen Gitarristen und Sänger JJ Cale auf einer Tour von Tulsa, Oklahoma durch die USA und zurück. Konzertmitschnitte, Aufnahmen aus dem Tourbus auf den langen Fahrten durch die zum Teil wunderbaren Landschaften der USA, lange Interviews mit Cale, den Bandmitgliedern und Eric Clapton vermitteln einen recht vollständigen Überblick über den musikalischen Werdegang, die Ups and Downs in Cales Karriere und zeigen auch, warum Cale so wichtig ist für die Entwicklung von Rock, Country und den benachbarten Musikstilen.

Hier erfährt man viel über Musik und Mensch: Wenn Cale in seiner fast ausgestorben wirkenden Heimatstadt Tulsa am Eisenbahnknoten steht und erzählt, wie er sein erstes Geld als Gitarrist einer Tanzkapelle im größten Ballroom der in den 50ern boomenden Stadt verdiente. Und dass vor allem Jazz und Swing seine musikalischen Anregungen sind. Wenn Eric Clapton entspannt zugibt, wie ein vorgeführter Sechstklässler mit JJ und seiner Band beim Crossroads-Festival 20 Minuten auf der Bühne einen Song gejammt zu haben, den er erst nach der ersten Gesangsstrophe als „After Midnight“ erkannte. Und wenn man Clapton diese ratlose Verwirrung über den sehr experimentierfreudigen Musikstil von Cale’s Band auch im Konzermitschnitt deutlich ansieht. Wenn die Bandmitglieder (die zum Teil seit dreißig Jahren mit Cale regelmäßig zusammen spielen) und sogar der Busfahrer voller Liebe und Respekt über ihren JJ sprechen, der nie die Ruhe verliert und immer sehr entspannt und positiv mit seinen Mitmenschen und Kollegen umgeht. Wenn der Toningenieur berichtet, wie der technisch recht versierte Cale schon seit Jahrzehnten seine Aufnahmen selbst mischt und dabei mit seinem legendären Rhythmusgefühl und vielen kleinen Instrumentalparts einen einmalig dichten, treibenden (und selten kopierten) Sound erreicht.

Ein wirklich brillianter Sound und viele Konzertmitschnitte, die gekonnt übergeblendet werden – man merkt hier, das die fantastisch eingespielte Band ihr Repertoire exakt im gleichen Groove und Tempo spielt. Die Überblendungen sind mit geschlossenen Augen praktisch nicht zu merken. Beeindruckende „Solo-Auftritte“ von Cale, der selbst begleitet kleine, wunderschön schlichte Instrumentals ebenso faszinierend bringt wie heftig groovende Up-Tempo Nummern. Und auch das Geheimnis des „laid-back“ Musikstils von Cale wird etwas gelüftet: Bei den teilweise wild improvisierten Konzertmitschnitten wird deutlich, dass diese Band aus älteren Herrschaften mit der Attitüde einer swingenden Jazzband spielt – das Rhythmusgefühl liegt vor dem Schlag, das Schlagzeug swingt und Improvisation ist erwünscht. Nur die Harmonien, die Gitarrenriffs und der stoische Bass haben ihre Wurzeln im Country, Blues und Rock. Eine sehr attraktive Mischung von Musikstilen, entspannt serviert – das durch alle Altersschichten gemischte, stets begeistert mitgehende Publikum dankt es.

Robert Altmann gemächlich mit großartigen Schauspielern

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[Rating:4]

Robert Altmann entwirft hier eine Pastorale auf dem Land. Jeder kennt jeden seit Jahren und jeder hat ein Geheimnis und schmutzige Wäsche.

Glenn Close versucht, einen Selbstmord der alten Cookie wie Mord aussehen zu lassen. Charles S. Dutton spielt den zu Unrecht verdächtigten Freund der verstorbenen Oma so bärig, versoffen, liebevoll und entspannt, dass eigentlich jeder Verdacht von vorn herein lächerlich zu sein scheint. Liv Tyler kommt als chaotische, nach Catfish (Wels) stinkende Sexbombe zurück in ihre Heimatstadt, alle sitzen zusammen im Gefängnis, spielen Scrabble und die Jüngeren haben Sex. Durch die Kulissen schleicht Lyle Lovett, einer der eindrucksvollsten Nebendarsteller überhaupt als lüsterner Manny, der immer der schönen Liv Tyler an die Wäsche will.

Und jeder hat mit jedem etwas zu tun. Aber die doch recht komplizierte Handlung will ich hier nicht verraten, das wäre unfair.

Die Schauspieler dürfen übertreiben, was einigen Szenen sehr gut tut. Die Schauspieler bekommen ausreichend Zeit für Ihre Szenen (was das gemächliche Tempo des Films bestimmt). Die Abfolge der Szenen, die gekonnten Schnitte, die wunderbar archaisch-bluesige Musik von David Steward (ja, das ist der von den eurythmics) und eindrucksvolle Bilder in warmen Farben. Ein unauffälliger und schöner Film, bei dem der Zuschauer auch beim zweiten und dritten Sehen noch Neues entdecken kann. Und außerdem geeignet für alle Altersstufen.

Julia Jentsch als pubertäre Widerständlerin

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[rating:4]

Julia Jentsch zittert, albert und pubertiert schon in der ersten Szene in einem Maße, dass es beängstigend echt und präsent wirkt. Und geht genau so unter.

Die Geschwister Scholl waren für mich schon in der Schule tragische Figuren – pubertärer, letztlich unprofessioneller Widerstand, heldenhaft bewegt, bewegend und letztlich nutzlos.

Diese Spannung und Gegensätze fängt der Film wunderbar ein. Eine bessere Darstellung der Sophie Scholl ist einfach nicht denkbar.

Reine Chefsache (Film – 2005)

Der Alte und die Glücksritter – Dennis Quaid und die Arbeitswelt

Reine Chefsache (2005) mit Dennis Quaid, Topher Grace und Scarlett Johannson

[Rating:4]

Arbeitswelt ist in Hollywood als Filmthema nicht wirklich verbreitet: „Working Girls“ ist eine der wenigen Ausnahmen. Dabei gib das Arbeitsleben doch Einiges her: Hier eine gekonnte und witzige Reflektion über den Größenwahn und den Jugendwahn der 80er bis 90er Jahre.

Dennis Quaid als erfahrener Verkäufer und der 26jährige Jungmanager ohne Sachkenntnis, angenagt von den ersten Selbstzweifeln, der frischen Scheidung und dem frisch angematschten Porsche – ein herrlicher Komödienstoff.

Gute Darsteller, eine zauberhafte Scarlett Johannson in einer tragenden Nebenrolle und für jeden Menschen über 40 ein Schmunzeln darüber, dass es sich auch lohnt, etwas gern zu tun und auf die anderen Menschen nicht nur auf der Arbeit zu achten.