Joni Mitchell – Wild Things Run Fast (1982)

Eine elegante Pop-Jazz Platte, 12. März 2007
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[rating:4]

Joni Mitchell wird hier gefällig und liefert mit diesem etwas überproduzierten Album und illustren Gastmusikern wie Wayne Shorter (tolles Sopransaxophon!), Steve Lukather, Larry Carlton und Vinnie Colaiuta wunderbar glatte, eingängige Popsongs im Jazzsound ab.

Die Titel sind radiotauglich, wie „Be Cool“ mit rasantem Jazzbesen, schwerem Bass und quiekigem Sopransax oder „Chinese Café“ mit melancholischen Keyboardflächen. Elegant auch der von schweren Gitarren getragene Titelsong. Am skurrilsten und auch recht gelungen erscheint mir der berühmte Leiber/Stoller Song „You’re So Square“, eine echte Rock’n Roll Nummer, die durch die überragenden technischen Möglichkeiten der beteiligten Musiker ganz viel Witz und einen teuflischen (Jazz-)groove bekommt.

Es fehlen die absoluten Highlights, vor allem bei den Lyrics. Trotzdem das beste Album von Mitchell seit „Hejira“.

Nils Landgren Funk Unit – Funky Abba

Gepflegter Tanz-Funk ohne große Inspiration – Abba als Vorlage, 11. März 2007
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[rating:2.5]
Mit Abba hat diese Sammlung von Funk-Stücken wenig zu tun. Die Songs der berühmten und geschätzten Pop-Band wurden nur als Vorlage benutzt, um Harmonien und Themen dann durch den Funk-Wolf zu drehen. Bis auf den wunderbaren Bonus Track, wo Abba-Keyboarder Benny Andersson ein wunderbar altmodisches Stück mit Flügel, eleganten Blockakkorden und viel Stil spielt. Wie gut der Keyboarder von Abba ist, kann man da mal wirklich hören. Und ahnen, was Abba alles weggelassen haben, um ihre Musik auf Hitparadentauglichkeit zu trimmen.

Die Musik groovt (wie bei Nils Landgren nicht anders zu erwarten) gut. Der Sound lehnt sich erstaunlich dicht an den Großmeister des 70er Funk Johnny Guitar Watson an. Das geht von den dezenten WahWah-Effekten über die entspannten, weniger fetzigen als präzisen Bläsersätze bis hin zu dem langsam und grollend marschierenden E-Bass. Erfreulich handgemacht. Die wenigen Synthies fallen kaum auf. Das seltsame unpassende Rappen (welches wohl für modernen Sound sorgen soll) ist weder gut in die Musik integriert, noch passt das zur Vorlage (zu schnell gerappt zum langsamen Groove). Die CD hat wenig Langzeitwert. Ist aber dafür perfekt geeignet als gehobene Beschallung für die nächste Tanzparty.

Bruce Springsteen & friends – We Shall Overcome (2006)

Folk Oldies vom Rocker – fantastische Musik vom Boss und spannendes Making Of, 11. März 2007
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Ein CD und DVD Set mit Songs vom Folk-Forscher Pete Seeger. Dem Protestbarden und Folk-Vater der 60er Jahre, der Musiker wie Bob Dylan, Woody Guthrie, Joan Baez und die gesamte Folkszene Amerikas bis heute inspiriert und motiviert. Aufgenommen mit der Ehefrau Springsteens, der renommierten Countrysängerin Patti Scialfa und Musikern einer Tanzkapelle aus dem erweiterten Freundeskreis der Familie. Das Studio wurde in Wohnzimmer und Küche verlegt. Die Blechbläser kamen in den Flur (weil sie sonst zu laut sind). Es wurde wenige Male geprobt und danach mit Einzählen direkt aufgenommen. Die Kamera war dabei und dieses Set lohnt sich vor allem auch wegen der hautnahen Dokumentation der Entstehung des Albums. Ich habe selten Musiker so entspannt und konzentriert zugleich bei der Arbeit gesehen wie hier.

Die Songs haben Substanz. Der Boss ist gut drauf. Rein akustisch werden zum Teil extrem bekannte Folk-Standards durch eine ganz normale Band und einen zauberhaft dominanten Bruce Springsteen zu wirklichen Perlen veredelt.

Entstanden ist dieses Album fast spontan, ohne große Proben und „first take“. Die Einsätze werden von Springsteen einfach angesagt; da merkt man die Jahrzehnte Erfahrung als Bandleader.

Pay Me My Money Down ist einer meiner Top-Ten dieses Jahres, tief empfundener Gospel mit weißem Schweiß. Überhaupt bemerkt man sehr eindrucksvoll, wie wichtig die irische Musik als Wurzel der modernen amerikanischen Musik ist. Da sind richtige Tanz-Kracher dabei, wie „Oh, Mary Don’t You Weep“. Bei solchem Folk bleibt keiner sitzen.

Das ganze Album ungeheuer rund und stimmig. Durch das „Brett“ (Musikerausdruck für sehr harten Gitarrenanschlag) von Springsteen bekommen die Songs mehr Dynamik und Rock-Feeling im Vergleich zu einer verspielten Folk-Interpretation.

Toll die DVD-Beilage mit dem Making Of. Denn die gibt einen guten Einblick darin, wie lebendige echte Musik entsteht: „Das muss sich jetzt anhören wie viel Bier und noch mehr Whiskey“.

Ich bin kein Springsteen Kenner. Aber der Mann weiß, was er will und bekommt es von seinen Musikern. Toll. Bewegend.

The Allman Brothers – One Way Out Live At The Beacon (2004)

Wahnsinnig gutes Ensemblespiel einer geschrumpften Band, 10. März 2007
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[rating:4]

Die Allman Brothers Band lebt – und wie! Ja, es ist tatsächlich wie ein Wunder, wenn eine wirklich gute Band nach Ihrer „großen Zeit“ vor 35 Jahren noch musiziert. Duane Allman, der stilbildende Gitarrist und der ebenfalls überragend gute Bassist der Originalbesetzung sind tot. Beide können nicht vollständig ersetzt werden. Das in heutigen Ohren doch recht zeitgeistige Gegniedel des früheren Gitarristen Richard „Dicky“ Betts werde ich jedenfalls nicht vermissen. Statt dessem übernimmt Greg Allman, ein charismatischer Sänger und origineller Keyboard mit seinen auch neuen Kompositionen das Ruder und steuert mit einer einer ansonsten komplett erneuerte Band in dieses Jahrtausend.

Und die Band marschiert wie ein geschmeidiges Uhrwerk. Mit den Brüdern Trucks (Derek mit seinen erst 28 Jahren an der bedienten Slidegitarre und Butch, der an den Drums für einen unglaublich geschmeidigen und komplexen Rhythmus sorgt) wurde bestmöglicher Ersatz für die alten Bandmitglieder gefunden.

2 Drummer ergänzen sich mit einem auch sehr gediegenen Bassisten zu einer unglaublich kompakten Rhythmusmaschine. Eine Band, die mitten im 4/4 Rocksong auf locker geshuffelten 3/4 mit Swing-Feeling „umsteigt“, wie hier zu hören ist – das ist einfach toll. Das Repertoire ist großartig. Die Hits der Band wie „Whipping Post“ haben bis heute nichts an Originalität und Klasse verloren. Und auch die neueren Kompositionen von Greg Allman überzeugen.

Im Vergleich zu modernen Blues-Epigonen wie Eric Clapton mit ihrem oft statischen Feeling ist dies einfach die Champions-League. Das singt und groovt wie die Hölle von Alabama und wird nicht eine Sekunde langweilig. Durch die im Vergleich zu den Alben der 70er verbesserten Instrumente (die Drums und Becken hören sich abwechslungsreicher an, die Bässe druckvoller und die Gitarren zerren nicht so bemüht wie vor 35 Jahren) bekommt der Sound noch eine Verbesserung mit.

Da stört es wenig, dass Duane Allman einfach noch ausdrucksvoller und „heißer“ gespielt hat. Und dass die 8-Minuten Soli der Band auch heute manchmal etwas lang werden.

Roku/Pinnacle Soundbridge – Wireless Lan Music Player

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[rating:4]

Die Soundbridge wurde hier zum Abhören einer umfangereichen Musiksammlung (überwiegend MP3 und FLAC) in guter Qualität angeschafft. Ich war zunächst angenehm überrascht, dass dieses Gerät so schwer und wertig gebaut ist. Das gewöhnungsbedürftige „Trommeldesign“ lässt sich überall verwenden. Die Anschlüsse sind gut erreichbar. Gerade in engen Räumen und im Bücherregal sehr angenehm.

Die Integration in das heimische WLAN verlief problemlos (Linksys-Router) mit DDWRT. Die Sicherheit ist im Auslieferzustand allerdings zu gering, da nur WEP-Verschlüsselung aktiviert ist. Also am besten zunächst per Kabel anbinden, die MAC-Adresse notieren, auf der Herstellerseite genau diese MAC für Updates auf Beta-Firmware freischalten und dann innerhalb von 30 Minuten ein Firmware-Update am Gerät durchführen. Das brachte mein Gerät von 2.5.172 auf 2.7.xx und ermöglichte dann auch WLAN mit WPA2-Verschlüsselung.

Als Streaming-Server verwende ich zur Zeit noch den Slimserver des Konkurrenzherstellers Slimdevices, weil sich dieser auf unserem heimischen Linux-Server viel leichter installieren lässt als der von Roku und Pinnacle gepriesene firefly-Server. Der Slimserver findet die Sammlung problemlos. Die Titel lassen sich dann über den Client normal durchsuchen, scrollen und auch nach Anfangsbuchstaben für meine Begriffe sehr schnell auffinden.

Nachteil ist erwartungsgemäß das Benutzerinterface. Das kleine (zum Glück sehr helle-) Display kann nur 2 Zeilen darstellen. Dadurch muss bei einer Sammlung mit mehr als 10.000 Titeln wie bei mir ziemlich lange gescrollt werden. An das Zusammenstellen von Playlists mit der sehr spartanischen Fernbedienung ist überhaupt nicht zu denken. Das würde in eine Tasten-Orgie ausarten.

Diese Beschränkungen werden mit dem Verzicht auf PC und Bildschirm nebst Tastatur erkauft. Da ich überwiegend komplette CD’s abspiele, die sich recht leicht auffinden lassen, stört das aber nicht weiter.

Trotzdem: In der jetzigen Kombination ist ein „Wunschprogramm“ auf der Soundbridge seeehr mühselig: Playlist am PC erstellen. Abspeichern. In die Soundbridge laden. Abspielen.

Der Sound ist (betrieben über Digitalausgang an einem alten AKAI-Verstärker mit guten D/A Wandlern) sehr gut. Es fehlt jedoch verglichen mit der originalen CD das allerletzte Quentchen Räumlichkeit und Auflösung. Das hört man aber nur mit einer sehr guten Anlage bei konzentriertem Hören.

Im Vergleich zur Squeezebox (die vermutlich noch etwas bessere Wandler hat) erfreut der wesentlich geringere Preis. Im Vergleich zu meiner bisherigen Lösung (kleiner PC mit 15 Zoll Flatscreen und Fernbedienung) ist es zwar weniger komfortabel.

Aber dafür

+ startet die Soundbridge sehr schnell
+ es gibt keinen Kabelsalat, keine Tastatur und Maus im Wohnzimmer
+ selbst für hochwertigen Musikgenuss reichen die kleine Trommel und eine Endstufe
+ der Stromverbrauch ist auch erheblich geringer

Nachteilig ist zu vermerken, dass dieses Gerät leider eine „Schnüffelfunktion“ hat. Mit der älteren Firmware wurden Daten an den Hersteller übermittelt. Mit der neuen Firmware kann man das (hoffentlich wirklich!) abschalten. Die Datenschnüffelei der amerikanischen Hersteller missfällt mir sehr. Aus dem selben Grund habe ich auch schon vor Jahren das von Roku/Pinnacle bevorzugte Programm „Musicmatch“ abgeschafft. Und werde ein solches Gerät mit eingebauter „Hintertür“ als closed source mit Sicherheit nicht noch einmal kaufen.

Rickie Lee Jones – Girl At Her Volcano (1983)

Kurz, Kürzer, am Schönsten, 5. März 2007
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[rating:4]

Als ich dieses Album erwarb (als Vinyl im abgespeckten 10“ Format) und hörte, war ich schockiert. So schmerzhaft, zerrissen, klagend und verstummend klang RLJ niemals wieder.

Die Kürze des Albums, das wuchtige „Lush Life“, „Walk Away René“ mit dramatischer Klavierbegleitung. Und dann hymnisch, gospelig „Under The Boardwalk“, die wohl mit Abstand beste Aufnahme dieses abgenudelten Klassikers. Einschließlich Mandoline und wildem Satzgesang.

Es ging der Künstlerin vermutlich nicht gut damals. Aber die Wucht und Tiefe dieser Musik, die feinen Streicher arrangiert von Nick de Caro, die großartige Gitarrenarbeit von Dean Parks und vor allem der leider als Interpret völlig unbekannte Michael Ruff (keyboards und wunderbarer Gesang) sorgen für ein auch heute noch gültiges und gutes Album.

Jazz und Midlife-Crisis

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[rating:5]

Joni Mitchell verlässt hier die experimentelle Phase ihres früheren Albums „Hissing Of The Summer Lawns“.  Und wendet sich entschieden und gekonnt dem Jazz sowie ernsten Themen einer Mittdreißigerin zu: Vergangene Jugend, im Bürgerlichen gestrandete Freunde, Einsamkeit auf Reisen.

Sind die Lyrics schon teilweise hypnotisch und genau wie etwa die Beschreibung der „Sharon“, so ist es die Musik erst recht. Ich kenne kein Album einer Singer/Songwriterin, welches so stimmig instrumentiert, so homogen und abwechslungsreich zugleich ist. Der Sound wird bestimmt von den schnell geschlagenen, offenen Jazzakkorden von Mitchell, zu denen die Musiker singenden Bass und fließenden Rythmusteppich gekonnt beisteuern. Selbst eine langsame Bar-Jazz Nummer wie „Blue Motel Room“ bekommt durch den gedeckten, mittigen Sound und den feinen Jazzbesen des Drummers unverwechselbare Klasse. Neil Young steuert einige klagende, verhauchte Harmonica-Töne bei.

Durch den prägenden, mittigen Gitarrensound von Mitchell, dem sich alle anderen Musiker geschmackvoll unterordnen, bekommen auch die schwächeren Songs des Albums eine Eindringlichkeit und einen Glanz, der eine wirklich gelungene Produktion auszeichnet. Mitchell rettet hier die lyrischen Bilder und die markanten Songstrukturen ihrer frühen (Folk-)Alben gekonnt hinüber in den Jazz und schafft ein völlig zeitloses Album.

Bemühter Jazzrock von Joni Mitchell mit wenigen Highlights

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[Rating:2.5]

Mit diesem Album und dem kurz davor entstandenen „The Hissing Of The Summer Lawns“ verabschiedeten sich die meisten Fans aus dem Lager der Folkies von der bis dahin überragend souveränen Songwriterin Joni Mitchell. Dies war das vierte Album nach den überragenden „Court And Spark“ sowie „Hejira“ und dem ambitionierten „Hissing Of..“ mit energischen Schritten zum Jazz-Rock und das letzte Album der Künstlerin, welches GOLD bekam. Nicht ganz zu unrecht aus heutiger Sicht:

Die lyrische Dichte und der Witz früherer Songs werden ersetzt durch schier endlose, wortreiche Tiraden über relativ beliebige Themen. Dazu einen wuchtigen, vom Bassisten Jaco Pastorius und den offenen Gitarrenakkorden Mitchell’s dominierten Lounge-Jazz. Zwar leisteten die Studio-Profis Alex Acuna und Don Alias (dr) ganze Arbeit und sorgten für einen sehr flüssigen, eleganten Rhythmusteppich. Der Ausnahmebassist Jaco Pastorius trägt mit seinem „fetten“ und stark in den Vordergrund gemischten Fretless-Bass den Sound auf eine abwechslungsreiche und elegante Weise (wie etwa mit den perkussiven tiefen Schlägen auf dem Titelsong). Doch die Beliebigkeit der melodischen Themen und Texte klingt, als wolle Mitchell Sound, Konzept und Stil ihrer überragenden Vorgängeralben im neuen Genre auf niedrigem Niveau kopieren.

Trotzdem ragen einige Songs wirklich heraus: Der Titelsong besticht durch die elegante und wuchtige Begleitung von Pastorius. Mit „Dreamland“ bringt Mitchell zu einem unglaublich dichten, schweren Samba-Beat schöne Assoziationen zu Ferien, Winter und Abreise zu Gehör. Mit den bündigen, satt arrangierten „Off Night Backstreet“ sowie „Otis And Marlena“ beweist sie Gespür für echte Pop-Jazz Hits, bleibt aber insgesamt zaghaft und unentschlossen.

Und wenn in dem schlicht überflüssigen, sich über mehr als 16 Minuten erstreckenden „Paprika Pleins“ Belanglosigkeiten ausgebreitet oder in „The Silky Veils Of Ardour“ fast kreischend gesungene Esoterik verbreitet wird, dann sind dies eben Tiefpunkte im Gesamtwerk einer überragenden Künstlerin.

Erst mit dem anspruchsvollen Jazz-Album „Mingus“ von 1979 und dem eleganten und glatten Jazz-Rock von „Wild Things“ (1982) fand Joni Mitchell wieder zu einer geschlossenen Darstellung von Lyrik und Musik zurück.