Überragendes "Ausprobieralbum" der Van Halens,

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[Rating:4.5]
Ich bin unter die ganz harten Partyrocker gegangen und höre Van Halen. Das wäre noch keine Meldung. Die Meldung ist: Schön ist es mit dieser Band und ihren lauten Gitarren. Kein Wunder: Zwei Brüder mit klassischer Musikausbildung, einer davon möglicherweise der abwechslungsreichste und interessanteste Rockgitarrist der Welt (zusammen mit Jeff Beck) und dann noch ein Musikstil, der über alle Genres hinweg geht, wirklich nichts auslässt und damit meinen eigenen musikalischen Vorlieben sehr entgegenkommt. Zutiefst bürgerlich wegen der technischen Schwierigkeiten und irrwitzigen Vielfalt, anspruchsvoll und immer etwas rüpelhaft – da fühle ich mich doch gleich angesprochen. Aber zum Thema:

Auf den ersten Blick ist dieses Album ein Chaos: Ganze 31 Minuten kurz, nur 5 eigene Stücke der Band und ein breiter Mix von Musikstilen: Vaudeville, Stadion-Rock, sogar Bar-Jazz wird geboten.

Die Band zeigt ihre Stärken gleich im Opener, „Where Have All The Good Times Gone“, einem Ray Davies Cover: Kompakter Sound, brutal präzise Rhythmusarbeit, witziger Gesang im „Punk-Unisono“ Stil und eine Gitarre vor dem Herren. Nach einer Speed-Rock Nummer „Hang ‚em High“, einem brillianten, musikalisch wie technisch beeindruckenden Solo „Cathedral“ Van Halen’s, an dem Johann Sebastian Bach seine Freude gehabt hätte, kommt dann ein weiteres Highlight: „Secrets“ ist ein Song mit pulsierenden Bässen, treibenden Drums und leisen feinen Power-Akkorden und klingt wie „Police“ auf Hochglanz. Nach „Intruder“, einer genialischen Feedback-/Geräusch-Orgie kommt dann mit direkter Überleitung „Pretty Woman“ von Roy Orbison in der Version, die wir immer hören wollten: Ganz kompakt, mit großartigen rhythmischen Verschiebungen. Bei „Dancin In The Street“ wird (anders als in der sehr konventionellen Version von Jagger und Bowie) der gesamte Song von einem durch Delay wiederholten Gitarrenfigur zusammen gehalten – interessant.

Mit „Little Guitars“, eingeleitet durch ein etwas bemüht virtuoses Solo auf der Konzertgitarre, werden New-Wave Anleihen durch den Hardrock-Wolf gedreht. „Big Bad Bill..“, ist reiner Vaudeville-Jazz – ein packender Song von Bix Beiderbecke, entdeckt wahrscheinlich von dem kurz vorher erschienenen Album „Jazz“ des großen Ry Cooder. Da beschränkt sich Eddie Van Halen ganz darauf, eine absolut bediente Rhythmusgitarre zu schlagen, so präzise und groovend wie ein 60jähriger Zigeunerjazzer. Und nicht ein einziges Gitarrensolo hier! Eine kleine Referenz an Cooder, dessen Gitarrenarbeit und Soli auf dem Original einfach überragend sind. David Lee Roth zeigt hier bereits, dass Vaudeville-Jazz sein Fach ist. „Happy Bug“ ist ein VHtypischen Kracher. Klingt wie Allman-Brothers auf Speed. Und das Album schließt mit einer witzigen, gelungenen kleinen Acapella-Nummer im Barbershop-Stil. Van Halen ist eben auch eine absolut amerikanische Band und da gehört Barbershop auch mal dazu.

Van Halen wollten mit diesem Album ganz offensichtlich Experimente wagen Richtung Pop und Jazz und leiten damit über zu dem überragenden Album „1984“. Gelungen! Wenn musikalisches Ausprobieren so gekonnt und interessant daher kommt, bin ich gerne dabei.