Steve Earle – Sidetracks (2002)

Ein Flickenteppich mit vielen Perlen ist diese Sammlung 6 eigener und 7 fremder Songs, auf der Earle Material verwertet, welches sich in zehn Jahren Arbeit angesammelt hatte:

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Da haben wir krachenden Irish Folk wie bei „Dominick St.“ – so swingend und akustisch wie direkt von der grünen Insel. Es kommt Filmmusik wie das kernige Stück „Time Has Come Today“ mit einem Gastauftritt von Sheryl Crow, nicht verwendete Versionen anderer Alben (wie die beklemmende Ballade „Ellis Unit One“, wo Earle in Begleitung der Freshfield Four so beklemmend vom Gefängnis singt, als säße er immer noch drin) – das Stück war „über“ vom großartigen Album „I Feel Alright“ und Coverversionen vom Feinsten. Ob krachender Rock wie bei „Breed“ von Nirvana oder in „Time Has Come Today“; ob exzentrischer Akustik-Rock wie bei „Creepy Jackalope Eye“ – Earle findet immer den richtigen Stil, die richtige musikalische Sprache für jedes Material. Kein Wunder, wenn seine Produktionen etwa für Lucinda William für deren Grammy Winner „Car Wheels On A Gravel Road“ (1998) so rund und stilsicher sind.

Wie Earle beispielsweise „Willin“, die Truckerhymne des großen Lowell George erdet und sich knurrend aneignet und damit auch vom leichten Schmalz der Originalversion befreit. Oder „Johnny Too Bad“, ein unglaublich schwerer Reggae, der klingt, als wäre halb Texas im jamaikanischen Roots-Reggae versackt. Oder „My Uncle“ von den Flying Burrito Brothers in einer Live-Version – da werden die Kriegsdienstverweigerer im Bluegrass-Stil besungen. Zuletzt wringt Earle aus „My Back Pages“ von Bob Dylan jedes Stückchen Text aus dieser moralischen Ballade und eignet sie sich buchstäblich an – obwohl praktisch im Original-Arrangement immer auf seine Art.

Immer auf seine Art – ein gelungenes Album mit Sidetracks, die bei anderen Künstler selten im Verlauf einer ganzen Plattekarriere zusammen kommen. Eine der lohnensten Sammlungen von „B-Sides“, die ich kenne.

Richie Hayward is gone

Richie Hayward (2008), Quelle: WikipediaRichard „Richie“ Hayward, der langjährige Drummer von Little Feat und gefragte Session-Drummer, starb Mitte August an den Folgen von Leberkrebs. Hayward verbrachte die letzten Jahre seines Lebens in Canada, wo er kurz vor seinem Tod geheiratet hatte. Er wurde 64 Jahre alt und hatte keine Krankenversicherung.

Richard war und bleibt in meiner Erinnerung als der beste, der markanteste Rock-Drummer bis heute (der beste- nur deshalb, weil Jim Keltner auch sehr engagiert ist im Jazz und Country). Sein unverwechselbares und dynamisches Spiel mit einem felsenfesten, sehr „laid back“ wirkenden Grundrhythmus und einem enorm treibenden, vorwärts drängenden, machmal fast nervös wirkenden Groove und Feeling ist unverwechselbar, einmalig und wurde von einem Rezensenten mal beschrieben:

Animating these visions was Richie Hayward’s inventively propulsive, behind-the-beat drumming, thrusting the music forward while leaning slightly backward – the rhythmic representation of an R. Crumb chararcter in motion.
Bud Scoppa in liner notes for the album
Waiting For Columbus (reissue 2002)

Richard spielte, wie man diesem bewegenden Artikel einer kanadischen Zeitung entnehmen kann, noch kurz vor seinem Tod.

Sein enorm kraftvolles, dynamisches Spiel wird erkennbar in den diversen Videos auf Youtube, die sein Solospiel demonstrieren.

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The Roches – Nurds (1979)

Drei wunderbar singende Nervensägen
Mit ihrem zweiten Album [amazonjs asin=B000002KLO] Nurds reihen sich die drei singenden Schwestern 1979 in den Zeitgeist der feministisch, manchmal auch schräg singenden Gruppen dieser Zeit ein. Wilde Wechsel zwischen betörendem Schön-Gesang und schrägen Dissonanzen und die humorvollen, manchmal bitteren Texte lassen durchweg Spaß und Freude beim Hören aufkommen. Da geht es um die „Nurds“ ebenso wie um „Boat People“ und die „Feminine Position“ – immer mit einem leichten Grinsen und sehr kunstvoll gesungen.
Da die Drei exzellente Harmonie-Sängerinnen sind und interessante Stimmen haben, das Album sehr abwechslungsreich ist machen diese Songs auch heute noch viel Freude.

Das Album ist übrigens auch gut aufgenommen. Ein DR = 14 spricht für sich und den vorsichtigen Umgang mit Kompression.

[rating:4]

Sentiment und Slide

Sommer, Sonne, Slide – da ist der Ry Cooder nicht weit. Und diesen wunderbaren Endlos-Rumba habe ich bei Youtube gefunden. Wenn Willie Green & Co. singen und der Meister die Slide schwingt – da kommt die Gänsehaut geschlichen. Es ist eine Sünde, dass diese Aufnahmen aus den 80ern nicht komplett erhältlich sind. Es waren (ich habe Cooder & Co. selbst live gehört) Sternstunden der Live-Musik. Die Setlist und Besetzung habe ich angehängt.

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Lowell George – Thanks I'll Eat It Here (1977)

Der große Bär mit dem einen Album für die Insel
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Lowell George, der vielseitig begabte und interessierte Sänger mit der schönen weichen Stimme und dem guten Geschmack für alle skurrilen Spielarten der amerikanischen Musik hat hier sein Album für die Insel gezimmert. Kurz vor seinem viel zu frühen Tod schnürte er einen bunten Strauß interessanter und zum Teil sogar abseitiger Songs: „Easy Money“ von Rickie Lee Jones (die Lowell mit entdeckt hatte) in einer treibenden Version mit Bläsern – weniger versponnen und verrucht als Jones auf ihrem Debütalbum. Mexikanische Klänge im romantischen „Cheek to Cheek“, eine raffinierte Version von „Can’t Stand The Rain“ – trickreiche Percussions und viel weniger abgehobelt klingt das als bei Tina Turner und Cassandra Wilson. Vaudeville in „Himmler’s Ring“ – warum nicht? Die Andrews Sisters und die Swing-Ära lassen grüßen. So vielseitig klingt George, ohne sich jemals anzubiedern. Feiner Bläsersatz hier auch.

Und romantisch klingt Lowell bis zum Anschlag in seinen Balladen; „2 Million Things“ und „Find A River“ sind wunderschöne Torch-Songs, unsentimental und gefühlvoll. Nicht zu (s)toppen – der ultimative Crooner des Rock schwingt hier das Zepter. Und was bei seiner Band Little Feat manchmal doch zu sehr nach Jazz-Rock klang, wird hier auf einmal natürliche, originelle Musik. Vergleiche nur die „Two Trains“ von George mit den zahlreichen Einspielungen der Feats. Hier klingt die Musik, dort ist es nur ein vertrackter Song gespielt von einer guten Band. Ebenso der witzige Opener „What Do You Want The Girl To Do“ – nicht nur muss diese Frage einfach gestellt werden. Es ist auch ein Song, dessen wilde Synkopen und trickreichen Harmonien überhaupt nicht auffallen, weil George die ganze Musik locker zusammen hält. Dieses fantastische Album schließt mit einem gefühlvollen Duett. Hammermäßige Musik, feinste Drums von Jeff Porcaro und ein exzellenter Sound runden dieses Album ab.

Was soll ich sagen – viel zu früh ging er dahin und hat uns nur ein Album für die Insel hinterlassen, dessen Perlen auch in 10 Jahren noch glänzen werden.

Honest Work (Todd Rundgren, Acapella 1985)

Ein Weihnachtslied der anderen Art. Todd Rundgren brachte mit Acapella (1985) ein bizarres, faszinierendes Album heraus. Acapella – nur mit der eigenen Stimme und Tonnen elektronischer Effekte. Brilliante Arrangements, Songs wie ein Kaleidoskop von Pop und Gospel, abwechslungsreich, rau und direkt wie kein anderes Album dieser Art. Was soll ich sagen, lest den Review oder hört Euch das Album an, auf dem auch solche Perlen wie „Pretending To Care“ enthalten sind.

Und ganz am Ende dieses Albums kommt mit „Honest Work“ ein kleines Lied über (keine) Arbeit und Hoffnungslosigkeit – dreistimmig, einfach und anrührend. Dieses war mein Weihnachtslied 2009 – live unter dem Weihnachtsbaum. Hier ausnahmsweise mal in zwei Versionen. Die erste ist authentisch – der Meister selbst live bei der Tour nach Erscheinen des Albums:

Die zweite Version ist die Studiofassung mit dem Plattencover:

Listen to the words.

Holly Cole – Baby It's Cold Outside (2001)

Chanson, Jazz, Kunst und trotzdem Weihnachtslieder

Jede/r Musiker/in träumt von einem Weihnachtshit, der sich millionenfach verkauft und mindestens 10 Jahre lang im Dezember in der ganzen Welt gespielt wird. Tantiemen ohne Ende, eine Art Weihnachtsgeld für aufführende Künstler. Doch meist geht es total daneben – ob Cover oder eigene Komposition. So bemüht und kitschig wie bei Diana Krall wird es meist,

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langweilig – unoriginell, sentimental und das grüne Kleid auf dem Cover reißt es nicht im Mindesten raus.

Anders dagegen Holly Cole. Nicht nur kommt das Grün auf dem Cover wesentlich frischer. Auch die Zutaten sind origineller gemixt.

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Holly Cole kann gut singen. Und hat auch ein ganz feines Gespür für die Interpretation fremder Songs, die sie im Grenzbereich zwischen Jazz, Pop und Chanson zu ihren Eigenen macht. Sie zeigt das hier an Weihnachtsliedern, von denen jedenfalls ich vorher kein einziges kannte.

Es ist abwechslungsreich geworden: Einige unkitschige Orchesterwerke (feine Arrangements des langjährigen Pianisten Aaron Davis) und eine ganz überlegte, dem jeweiligen Song angemessene Interpretation sorgen für musikalisches Wohlbehagen mit Weihnachts-Appeal.

Herausragend das atemlos, fiebrige Sleigh Ride nur begleitet von dem langjährigen Bassisten David Piltch. Rührender Country im Jazz-Gewand in Merle Haggard’s „If We Can Make It Through December“ und großes Duett im Titelsong. Für anspruchsvolle Musikhörer das ein tolles Weihnachts-Album. Und immer ein gutes Geschenk – wenn schon Weihnachten, dann auf diese Art „tongue in cheek“ und abwechslungsreich.

Good Morning, Trio (Emmylou Harris, Linda Ronstadt, Dolly Parton)

Das Projekt Trio der drei großen Damen des Country war ebenso außergewöhnlich wie einmalig. Drei doch sehr unterschiedliche Künstlerinnen tun sich zu einem akustisch begleiteten Gesangstrio zusammen, bei dem jede Künstlerin Songmaterial und Lead-Stimme beisteuert. Das ganz begleitet von den besten akustischen Musikern der damaligen Zeit. Durch die wirklich sehr unterschiedlichen Stimmen der Drei und auch das sehr breit gefächerte Songmaterial entstand daraus mit dem Album Trio
[amazonjs asin=B000002LAC] eins der besten Country-Alben aller Zeiten. Zeitlos, modern und mit Interpretationen, die jede für sich so gekonnt, einfühlsam und angemessen daher kommen wie ein kleine schöne Perlen.

Das Nachfolgealbum Trio II war dann nicht mehr ganz so überragend in meinen Augen, obwohl die Damen weiterhin nichts von Ihren überragenden Fähigkeiten eingebüßt hatten.

Sehr schön zu sehen auf diesem uralten Video – die immer wieder überragende Linda Ronstadt singt die Wolken herunter und wird dabei begleitet von einer sehr reserviert-vollbusigen Dolly Parton, einer geradzu ergriffen sich zurückhaltenden Emmylou Harris und im Hintergrund schwingt Sam Bush die Mandoline zusammen mit einigen dezenten Herren, die gekonnt die Saiteninstrumente bedienen.

Ist doch ergreifend, oder?

Lyle Lovett – Natural Forces (2009)

Covers, Kunkel und wenig Eigenes. Das neue Album von Lyle Lovett

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Lyle Lovett hat zu diesem Album nur etwa die Hälfte der 11 Songs selbst oder als Co-Autor beigesteuert. Seine eigenen Stücke wie der Titel-Track oder die musikalisch krachende und textlich witzige Nummer „Pantry“ oder auch der vertrackt-moderne Swing von Farmer Brown mit seinen vielen Tempo- und Rhythmuswechseln gefallen mir etwas besser als die Coverversionen von Townes van Zandt, Elskes und Ball, die doch mehr im Modern-Country stehen und mir im Text oft viel zu pathetisch daher kommen.

Was dieses Album gut macht, ist vor allem die Musik: Mitreißend, abwechslungsreich und gekonnt bauen der langjährige Drummer Lovetts Russ Kunkel und Victor Krauss (Bruder von Bluegrass-Star Alison Krauss) mit seinem abgrundtiefen, rollenden und orgelnden Kontrabass auch die kompliziertesten Grooves auf. Einsätze und Tempowechsel wie von einem anderen Stern – treibend, filigran und abwechslungsreich. Pianist Matt Rollings markiert mit seinen typischen Stakkato-Figuren und seiner rollenden Begleitung das Gerüst, auf dem sich Lovett mit seiner minimalistisch-gekonnten Akustikgitarre, Dean Parks sehr geschmackvolle E-Gitarrensounds sowie Stuart Duncan mit seiner ausdrucksvollen Geige tummeln. Duncans Violinspiel ist so tragend und melodiös, dass Sam Bush -selbst ein Superstar mit der Geige- auf diesem Album ausschließlich Mandoline spielt. Und das kommt gut, denn Bush ist mit seinem präzisen Spiel und seinem Rock-Feeling auf der Mandoline eine echte Bereicherung für jede akustische Band. Dies ist eine der besten vorwiegend akustischen Bands derzeit.

Und der Sound dieses Albums ist eine absolute Perle – wie macht Lovett das bloß? Jedes seiner Alben klingt besser als das andere: Durchsichtig das Klangbild, fein ziseliert die Saiteninstrumente, grollend der Bass. Und das Schlagzeug von Russ Kunkel klingt, als würde es im heimischen Wohnzimmer stehen. Das hört man die Becken schwingen und der sanfte Punch der Bassdrum bewegt hörbar ein Trommelfell und nicht einen Sampler. So macht überwiegend akustische Musik richtig Spaß. Und vielleicht gibt es das nächste Mal ja wieder ein paar mehr der lakonischen Songs von Lovett selbst.

Georgien ist nicht ganz weit

Für ein Jahr haben wir jetzt ein weiteres Familienmitglied: Mari, die durch Vermittlung von YFU aus Tiflis (Georgien) zu uns gekommen ist und hier die 11. Klasse am Steglitzer Gymnasium besucht. Wir alle wussten wenig über Georgien, ein kleines Land zwischen dem Schwarzen Meer und dem Kaukasus. Grund genug, um ein öffentliches Konzert georgischer Künstler am Gendarmenmarkt zu besuchen.

Ein sehr stimmgewaltiger Chor trägt Folklore vor, die sich anhört wie eine Mischung aus Kirchenmusik und Folklore – gleich bleibende Grundtöne stützen Harmonien, die sich oft nur wenig bewegen. Schwer zu beschreiben, hört es Euch an:

Wahlkampf, Hymne und Afghanistan

WinThisRecordWährend die halbe Welt rätselt, ob deutsche Militärs jeden Freischärler in Afghanistan 14 Tage vor dem Kampfeinsatz schriftlich über die bevorstehende Gewaltanwendung informieren und vor dem Einsatz alle Zivilisten von uniformierten Hostessen bitten lassen sollen, das Kampfgebiet zu verlassen. Während die andere Hälfte darüber rätselt, ob die Bundeswehr überhaupt nach Afghanistan muss oder besser nicht. Während eine konturlose Parteienlandschaft versucht, aus solchen Meldungen Munition für den Wahlkampf zu beziehen. Während all dies passiert höre ich das wunderbare Album Win This Record von David Lindley und seiner damaligen Band „El Rayo X“:

Better Talk To The Lawyer ist seit Jahrzehnten meine kleine persönliche Hymne. Und weil darin nicht nur das Lob auf Anwälte gesungen, sondern (auch das kam schon 1982 vor in Amerika) nach Afghanistan einberufen wird, ist das irgendwie aktuell. Rock on, folks.

David Lindley & El Rayo X – Win This Record (1982)

Talk To The Lawyer – Afghanistan, CIA und all der Rest.

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Dieses 1982 erschienene zweite Soloalbum von David Lindley mit seiner eigenen Band „El-Rayo-X“ ist insgesamt schneller, härter und kommerzieller angelegt als das musikalisch alles überragende Erstwerk „El-Rayo-X“. Die Band hatte nach dem relativ großen Erfolg des Erstlings ausgedehnte Touren absolviert. Dadurch wurde das Zusammenspiel dichter und komplexer.

Der Satzgesang der Band ist komplex und soundfüllend wie selten auf einer Rockplatte. Drummer Ian Wallace knallt eine Rythmusarbeit hin, dass sich die Drumcomputer der 80er anhören wie Spielzeugboxen. Und so spielt sich eine grandios aufgelegte Band durch ein buntes Programm aus Klassikern wie Etta James „Something Got A Hold On Me“, dem heftig groovenden „Brother John“ der Neville Brothers. Man besingt mit „Talk To The Lawyer“ (meinem Lieblingssong des Albums und eine Eigenkomposition) die zweifelhaften Freuden eines Staates mit CIA, Einberufungsbefehlen nach Afghanistan und ohne Anwalt. „Twist And Shout“ – bekannt von Jerry Lee Lewis bis zu den Beatles wird mit peitschendem Rhythmus und aufgedrehtem Gesang so lange durch den Wolf gedreht, bis hier der Partykracher so richtig raus kommt.

Nicht eine Sekunde schlechte Laune; aufgedreht, fröhlich und auf überragend hohem musikalischen Niveau geht es durch die Hinterhöfe der Rockmusik. Die Slide-Gitarre von Lindley singt und jubiliert besser denn je. Und warum dieses Album ebenso wenig wie der Erstling der Band nie in die Charts kam? Weil damals leider die ganze Welt David Bowie, Tina Turner, Queen und ähnliche Stadionrocker hören wollte. – Schade! Ein auch heute noch absolut zeitgemäßes Album. Am Strand, im Auto, beim Joggen – mit dieser Band macht das Leben Spaß und die Musik wird keine Sekunde langweilig oder altbacken.

Starproduzent Greg Landanyi sorgte für einen dichten, angenehmen und durchhörbaren Sound. Bei den Stimmen hört man mit einer guten Anlage oder Kopfhörer buchtstäblich jede der bis zu 6 singenden Lippen. Ein Top-Album und im Wahlkampf 2009 in Deutschland ist meine persönliche Hymne „Better Talk To The Lawyer“ aktueller denn je.

[rating:5]

Jeff Beck & Jan Hammer Group – Live (1977)

Komponist trifft Gitarrist – Live ist besser
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Dieses Album ist ein Glücksfall im improvisierten Jazzrock. Spontan, treibend, musikalisch einfallsreich und für die Freunde des Gitarrenkünstlers Jeff Beck eine Demonstration dessen, was ein guter ausdrucksvoller Gitarrist einer technisch anspruchsvollen aber etwas glatten Band mitgeben kann.

Jeff Beck wollte touren, um sein neues Album „Wired“ vorzustellen. Er suchte sich dafür Jan Hammer und seine Band aus. Die waren bereits damals (bevor Hammer mit dem Miami Vice Titelsong berühmt und reich wurde) bekannt und kommerziell recht erfolgreich. Hammer hat als Keyboarder einen sehr kompromisslosen Stil und Sound. Sehr gutes Timing, präzise Pattern und dazu einen interessanten, manchmal richtig brutalen, fiesen „Keyboard über Gitarrenverstärker gespielt“ Sound. Gut zu hören ist das auf dem Opener „Freeway Jam“ des Albums, wo Beck und Hammer sich gegenseitig mit ihren Instrumenten ausgiebig anhupen, bevor es dann abgeht über die Autobahn. Wäre da nicht die exakte Stereoverteilung dieses Albums – Gitarre und Keyboard wären weder zu unterscheiden, noch als solche zu erkennen.

Jan Hammers Alben dieser Zeit leiden oft an einer für Jazzrock manchmal typischen Glätte – technisch perfekt und anspruchsvoll, aber leider musikalisch eher uninteressant. Dieses manchmal etwas eintönige Jazz-Rock Einerlei bricht Jeff Beck hier mit seinen verspielten, virtuosen und die Band oft sehr fordernden Einwürfen und Improvisationen komplett auf. Er zieht das Tempo an um sofort wieder in lyrische Passagen abzugleiten. Die gesamte Band stoppt auf den Schlag, wenn Beck einen seiner unnachahmlichen Kreischtöne aus der Gitarre holt. Und die fantastisch strukturierte Rhytmusarbeit vor allem auch des brillianten Bassisten Fernando Saunders, der sich oft gemeinsam mit Beck zu längeren Unisono-Passagen aufschwingt, fängt diesen wilden Improvisator immer wieder ein und erdet dessen geräuschhafte Feedback-Spielereien und seine wilden Melodiebögen. Die Songs sind mit einer Ausnahme von Hammer, was jedoch nicht schadet. Beck war damals auf diese Art von Musik abonniert und konnte das einfach. Und Hammer ist wirklich kein schlechter Komponist: „She’s A Woman“ oder der rasende, wilde „Full Moon Boogie“, wo die Band vor lauter Lust an der schnellen Improvisation zuletzt unisono den Refrain mitsingt – diese Stücke sind nicht nur abwechslungsreich und anspruchsvoll, sondern eben auch die perfekte Grundlage für Improvisationen guter Musiker. Darum macht dieses Album auch so viel Spaß.

Vorsicht: Bei der originalen CD ist der Sound dieser Aufnahme etwas höhenarm und wenig hifidel. Was aber zum mittigen Sound von Hammer und Beck ganz gut passt. Nur Bass und Schlagzeug würde man sich etwas deutlicher und detailreicher wünschen. Diesen Wunsch erfüllt eine Neuauflage der CD, die 2008 erschienen ist und remastered wurde. Die swingenden Becken des Drummers, die pulsierenden Bässe von Fernando Saunders – hier hört man, wie jazzig diese Band auch klingen konnte. Unbedingt darauf achten – die Neuauflage der CD lohnt sich wirklich. Eines der wirklich guten Live-Alben im (Jazz-)Rock ist dies aber auch so.

Meine Bewertung: [rating:4]

Jeff Beck Group – Truth (1968)

Kunst mit Können – Rau, laut und zart
Das großartige Erstlingsalbum von Jeff Beck, Truth (1968) ist mit einem Remastering wieder als CD im Handel. Als Vinyl ist dies einer der Schätze meiner Plattensammlung und darf jetzt also noch einmal gekauft werden.
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Jeff Beck macht schon sein musikalisches Leben lang (und auch noch heute mit über 60 Jahren) Experimente im Grenzbereich von Hard-Rock, Metal, Jazz, Elektronik und Blues. Dieses Debütalbum aus dem Jahre 1968 ist zwar heute manchmal anstrengend zu hören, weil recht experimentell. Nimmt aber Heavy Metal und Hard Rock (was es damals eigentlich ja noch nicht gab) souverän vorweg. Und bleibt dadurch spannend für immer.

Rod Steward, der später auf belanglose Schlager umschwenkte, gibt hier die energische Rock-Röhre. Eine ganz harte, präzise Rhythmusgruppe (Ron Wood bass, Micky Waller drums) prügelt die Songs zusammen, als ob sie die Band Living Colour vorweg nehmen wollen. Und das zarte Greensleeves (Folk) kommt ebenso anrührend rüber wie der von einer ultra-tiefen Orgel effektvoll in Szene gesetzte Standard „O’l Man River“ wo Rod Steward eindrucksvoll zeigt, was er singen kann, wenn man ihm sagt, was er singen soll. Jeff Beck hatte vor 40 Jahren vielleicht noch nicht die Virtuosität und den tonnenschweren Ausdruck wie heute mit 60 Lebensjahren etwa auf seinem großartigen Live-Set Jeff Beck – Performing This Week…: Live At Ronnie Scoots. Aber die Härte und Zartheit dieses Album, die Ernsthaftigkeit und der schöne Gesang von Rod Steward sorgen für Gänsehaut.

Ein beeindruckendes Album. Ein Meilenstein, wo keiner der Songs nach fast 40 Jahren langweilig oder überholt wirkt. Man muss allerdings den Klang eines voll aufgedrehten Gitarrenverstärkers vertragen.

[rating:5]

Und wer dadurch auf den Geschmack gekommen ist, hört sich in das spätere Werk von Jeff Beck ein. Ich sage nur: Es lohnt sich. (Fast) ohne Ausnahme.

Jeff Beck again – Musik ohne Worte

Na klar bin ich ein Fan von Jeff Beck. Ein Gitarrist, der in einem Konzert drei Sätze Saiten verschleißt, um diese vielen wunderbaren Modulationen aus seiner Gitarre herauszukitzeln. Der praktisch keine Effektgeräte verwendet. Der so ausdrucksvoll spielt, dass es die reine Musik wird. – Und sicherlich auch dem klassisch geschulten Hörer gefällt. Schaut nur selbst, was dieser Ausnahmemusiker mit dem wunderbaren „Goodbye Pork Pie Hat“ von Charlie Mingus und seinem eigenen „Brush The Blues“ anstellt. Und achtet mal auf das Gesicht der Bassistin, als der Tempowechsel kommt – so schön kann Musik sein. Ohne Worte.

Jeff Beck Band (2007): Jeff Beck (g), Vinnie Colaiuta (dr), Tal Wilkenfeld (b). Zu sehen auf der großartigen DVD

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Starfish and Coffee – Sign O' The Times (Prince, 1987)

Das Portal Allmusic.com featured heute das wunderbare Album Sign O‘ The Times von Prince als „Album Of The Day“ – Yessss!

In „Starfish And Coffee“, einer vertrackten kleinen Ballade, die im wesentlichen mit einem kleinen Roland-Sampler der Einsteigerklasse eingespielt wurde (leicht zu erkennen am schrillen Telefonklingeln) heißt es dort:

First came Kevin, then came Lucy, third in line was me.
All of us were ordinary, compared to Cynthia Rose.
She always stood  at the back of the line
A smile beneath her nose
Her favorite number was 20 and every single day
If u asked her what she had 4 breakfast
This is what shed say
Starfish and coffee
Maple syrup and jam
Butterscotch clouds, a tangerine
And a side order of ham
If u set your mind free, baby
Maybe youd understand
Starfish and coffee
Maple syrup and jam

Jawoll. Das musste doch mal gesagt werden. Bei mir hilft immer eine gute Marmelade. Zweiundzwanzig Jahre ist dieses Album alt. Aber die Reihe in der Schule gibt es immer noch.

Brian Wilson – Live (Tempodrom)

Brian Wilson tritt vor einem nur zu 1/4 gefüllten Tempodrom auf. Eine riesige Band – 10 Musiker, drei bis vier Gitarren, alle bis auf den Drummer und den Bassisten müssen singen. Musiker und der Mann am Mischpult haben sofort meinen Respekt: Sechstimmiger Gesang, zwei Stunden lang und ohne Noten. Wir reden hier nicht von Tralllala – Brian Wilson schreibt richtig schwierige, eng geführte, himmlisch schöne Gesangssätze. So schwer, dass seine Musik lange Zeit als live unspielbar galt.The Brian Wilson Band (Taylor Mills) Und so verwirrend schön, weil jede Stimme „stark“ geführt ist.  Der Sänger und der Hörer möchten ständig von einer einer Stimme auf die andere – springen, weil jede Stimme harmonisch und melodisch stark klingt und trägt.

Mit schwierigen Satzgesängen oder mit zwei 12-seitigen Gretsch-Gitarren (die natürlich pausenlos verstimmt sind) hat diese Band kein Problem. Nicht umsonst bezeichnet Paul McCartney diese- als die derzeit beste Tour-Band der Welt. Jeff Foskett bringt vom rechten Bühnenrand mit einer sehr straighten Gitarre und einer strahlend schönen Tenorstimme die Band immer wieder unter Kontrolle. Daneben singt mit Taylor Mills eine Frau, die (wie wir bei einer minimalen Solopassage hören können) mit einer wunderbar druckvollen, glatten Stimme „Sex in the voice“ singt wie sonst vielleicht nur Sheryl Crow. Links am Bühnenrand ackern zwei Heldentenöre um die Wette (Darian Sahanaja und Scott Bennett), während der Meister selbst zufrieden in der Mitte thront und seinen leisen, fast britischen Humor bei den Ansagen aufblitzen lässt. Bei mehreren Titeln (und den ganz hohen Solostimmen) lässt er Foskett und Sahanaja die erste Stimme, schließt die Augen und hört manchmal nur zu. Das dies eine überragend gute Band sein würde, war mir schon nach dem wunderbaren Album Live At The Roxy (2002) von Wilson klar.

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Culture Club – Feinster, naiver Pop

Heute hatte Allmusic das wunderbare Album Kissing to be clever der britischen Band Culture Club als Album of The Day. Als 1983 der wunderbare Konzermitschnitt aus dem Hammersmith Odeon „A Kiss Across The Ocean“ heraus kam, von dem heute nur noch über Youtube einzelne Ausschnitte erhältlich sind

da war ich fasziniert:
Ein ausgelassenes, heiteres und pausenlos kreischendes Publikum und eine recht farbenfrohe Band feiern die Pop-Weihnacht. So elegante,geschmeidige Popsongs. Ein Frontman, der so weiblich und androgyn erscheint wie sein großes Vorbild David Bowie (aber wesentlich besser singen kann). Das war nicht meine Welt damals, aber diese heiteren, verspielten Fans und eine richtig gute Pop-Band berühren mich auch heute noch. Und allein die Kompositionen auch: Der federnde Bass und die fröhlich pfeifende Harmonika in „Karma Chameleon“, der superelegant auf Pop getrimmte R&B von „I’ll Tumble 4 Ya“ – das hat mehr Stil als viele hundert andere Pop-Songs dieser Zeit.

Lyle Lovett – Road To Ensenada (1996)

Swing, Walzer, Country – Groove und brilliante Songs

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Lyle Lovett ist der einzige mir bekannte swingende Texaner. Auf diesem Album lässt er den Schwermut und den Zynismus beiseite und widmet sich mal ernst (Who Loves You Better – diese Frage musste ein Mann ja mal stellen) und mal entspannt und heiter („Don’t Touch My Hat“, „That’s Right (You’re Not From Texas“) den kleinen und großen Themen des Lebens. War bereits auf seinem grandiosen Album Pontiac schwerster Swing die Grundlage, so taucht dieses Stilelement hier noch häufiger und in faszinierenden Variationen auf: Der brutal schnelle Groove von „Thats Right“

ist neben einigen ähnlichen Werken von Brian Setzer und Joe Jackson wohl der verdammt schnellste und treibenste Swing im Pop überhaupt. Und der konzentriert gleichmäßige, langsam treibende Groove von „Her First Mistake“ treibt auch einen Opa mit Krücken 6:28 Minuten lang voran. Bessere Rhythmusarbeit (Russ Kunkel und Lee Sklar besorgen das) gibt es selten. Und das sind alles keine Jazz-Musiker! Vielleicht mag ich die herzhaften Grooves dieses Album deswegen so sehr.

Der lakonische Humor (diesmal ganz entspannt bei „That’s Right“, wo es wirklich nur um Texas geht), aber auch die zauberhaften kleinen Beobachtungen (der elegante Walzer von „Christmas Morning“) – hier ist Lovett ganz entspannt und ganz bei sich. Seine Band liefert dazu feinste Musik in überragender Klangqualität – wie immer bei Lovett auch 5 Sterne für den Sound und die Produktion.

Lyle Lovett – Pontiac (1987)

Meisterwerk zwischen den Stühlen

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Lyle Lovett veröffentlichte mit Pontiac 1987 erst sein zweites Album und bestätigte damit endgültig, dass er zu den ganz großen Songwritern gehört. Der bissige Witz (M-O-N-E-Y), die zarte Romantik ohne jede Sentimentalität (If I Had A Boat), auch einmal harte Worte über die Frau zu ganz schwerem Swing (She’s No Lady) – jedes Lied findet sofort seine Stimmung, ist unverwechselbar und musikalisch feinste Arbeit.

Verblüffend auch die musikalische Vielfalt. Es beginnt mit klassischem Modern-Country und wandert danach durch Gospel und Swing: Große Ballade (der Opener und I Loved You Yesterday), vertrackter Gospel (Money), schwerstmöglicher, geradezu waffenscheinpflichtiger Swing mit wunderbaren Bläsern (She’s No Lady, She’s Hot To Go). Kein einziger Füller, kein schwacher Song dabei.

Das Album sitzt entspannt zwischen den Stühlen. Fast unnötig zu erwähnen die sehr hochwertige Produktion mit einem feinen Sound – Lovett macht das immer so. Viele halten dieses für das beste Album von Lovett. Das ist nicht ganz falsch, tut jedoch den übrigen Werken Unrecht – von den ersten 6 Alben Lovetts ist jedes unbedingt hörenswert und gelungen.

Albert Lee – Road Runner (2007)

Brit-Pop, Nashville und Rock mit 60+

Albert Lee hat in den 50 Jahren seiner Karriere mit der halben Welt gespielt und Platten aufgenommen. Das reicht von Chris Farlowe über Eric Clapton direkt nach Nashville und zu Emmylou Harris, in deren legendärer Hot Band Lee neben seinen zahllosen Studiojobs er jahrelang wirkte. Bei einem so berühmten und viel beschäftigten Gitarristen würde man sofort denken: „Dies ist wieder so ein Virtuosenalbum..“ – aber nicht hier:

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Lee schlägt die Brücke von seinen Wurzeln im Britischen Pop und Blues zum modernen Country so gekonnt, so lässig und so entspannt, dass der Hörer keine Sekunde überhaupt merkt, dass hier mit Lee und der Legende Buddy Emmons an der Steel Guitar zwei Virtuosen unterwegs sind. Die technischen Fähigkeiten der Musiker ordnen sich vollständig unter die Musik. So lange Du nicht versuchst, etwas von diesem Album nachzuspielen, bekommt man nur die Musik mit:

Wunderbare, entspannte Rhythmen, Klangwände aus vielen Gitarren, die sich in überraschenden Harmoniewechseln zu dem von Brian Wilson, Paul McCartney und J.S. Bach gehüteten Olymp des Pop aufschwingen. Das Songmaterial reicht von den 60ern bis heute. Und ordnet sich musikalisch ein zwischen den Everly Brothers, Clapton, Paul McCartney und Emmylou Harris eigenen Werken. Kein Wunder: Lee hat mit diesen Musikern (bis auf den Beatle) viel gearbeitet. Sogar Songwriter John Hiatt ist vertreten. Und doch klingt es immer nur nach guter Musik. Lee ist nicht der größte Sänger vor dem Herren. Aber seine Musik landet so gekonnt zwischen Brit-Blues, Pop, alternative Country und Nashville  – es ist die reine Freude. Und dass Sound und Produktion über jeden Zweifel erhaben sind, versteht sich bei DEM Künstler von selbst. Gut gefallen haben mir die unauffälligen, aber immer songdienlichen Vocal-Supports: Jon Randall mit seiner wunderschönen Stimme, Mark S. Cohen und Bekka Bramlet geben den Songs Farben mit, ohne sich in den Vordergrund zu drängen. Ein sehr rundes, entspanntes und musikalisch praktisch perfektes Album – altersweise und doch frisch.

The last acoustic Waltz – Emmylou und die Nashville Rambler nehmen Abschied

Momentan höre ich fast nur Live-Musik und da ist der Live-Mitschnitt auf DVD dieses Konzerts der großen Emmylou Harris und ihrer damaligen Band aus dem Jahr 1995

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gerade richtig. Nach ihrem großartigen Live-Album [amazonjs asin=B000002LQF] ging Harris mit ihrer Live-Band vier Jahre lang ständig auf Tournee und erarbeitete sich in dieser Zeit ein riesiges Repertoire; die Set-List für dieses Konzert umfasst mehr als 40 Titel und dies ist -wie Harris mehrfach grinsend und glaubhaft versichert- nur ein kleiner Ausschnitt aus dem wechselnden Programm der Band. Nie zuvor hatte ich Gelegenheit, ein so langes Live-Konzert als Mitschnitt zu sehen. Und selten sah ich so gute Musiker:

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Men in Black mit guter Musik – Lyle Lovett & Band und Russ Kunkel

Lyle LovettAls Lyle Lovett im schwarzen Anzug mit Cowboystiefeln die Bühne betritt, wird es sofort still. Der Mann mit dem schiefen Gesicht singt eine seiner lakonischen Balladen, bevor vier weitere Männer in schwarzen Anzügen die Bühne betreten. „Here I Am“, ein ausgefallen arrangierter Wechsel von gesprochenen Strophen und wuchtigem Swing im Refrain eröffnet das Konzert mit der Band.

Natürlich geht Lovett nicht mit seiner Large Band auf Tournee, die fast zwanzig Musiker hätten auch nicht in den Tourbus gepasst. Aber er bringt mit Russ Kunkel (dr) einen der sparsamsten und geschmackvollsten Drummer der amerikanischen Musikszene mit. Und mit Victor Krauss am elektrischen Upright-Bass einen ebenso druckvollen wie unauffälligen Bassisten. Kunkel hat in den bisherigen 40 Jahren seiner Laufbahn für Jackson Browne, Joni Mitchell und die gesamte Folk-Rock Szene Amerikas den Besen bedient, meist zusammen mit dem Bassisten Leland Sklar. Er bringt ein gigantisches Drumset auf die Bühne und ein riesiges Buch mit Leadsheets, in dem er während des gesamten Konzerts ständig liest. Er muss bereits über 60 Jahre alt sein, ein großer schwerer Mann, der seine Sticks und Besen bedient, wie ein Chirurg sein Besteck. Und doch: Kunkels typische Akzente auf den Toms, seine knochentrockenen Patscher auf die Snare – das hat richtig Kraft und lässt alles weg, was von den anderen Musikern zu füllen ist. Einen so guten Sound (und solche diskrete Präzision) habe ich von einem Drummer live noch nie gehört zuvor. Nicht umsonst ist der Mann eine Legende.

Und er hält die Band zusammen. Was man besonders deutlich hört, als er im letzten Teil der Zugabe mal einen „Aussetzer“ hat – sofort gerät für Bruchteile einer Sekunde alles aus dem Ruder. Ein fragender Blick von Lovett, eine demonstrativ gesenkte Schulter von Kunkel – nachts um 22.00 Uhr darf man mit 60 + auch mal müde sein. Das harmonische Fundament liefert der Bass; Victor Krauss (der Bruder der bekannten Sängerin und Geigerin Alison Krauss) hat damit überhaupt kein Problem. Mit seinem wuchtigen Upright-Bass gibt er den Orgelpunkt ebenso locker wie den superschnellen Lauf an seinem Instrument. Durch das lange Sustain und den fetten Sound ist damit das Thema „Begleitung“ in dieser Band eigentlich schon erledigt – Bass und Drums können das fast schon allein.

Müssen sie aber nicht: John Hagen am elektrisch abgenommenen Cello spielt in dieser Band (wie soll man das beschreiben?) die elektrische Gitarre: Rau mit krachenden Doppelgriffen und wilden Obertönen füllt er die Mitten im Sound, denn Lovett selbst bevorzugt einen sparsamen und sehr höhenreichen Sound mit seiner akustischen Gitarre.  Lovett lässt auch nie eine Sekunde Zweifel aufkommen, wer hier der Bandleader ist. Seine sparsame, doch sehr ausdrucksvolle Gitarrenarbeit gibt das Tempo vor und begleitet oft über längere Strecken auch solo den Gesang; da hat der zweite Gitarrist wenig zu tun und beschränkt sich auf einige genretypisch sehr flinkfingrige Soli. Schwer verständlich allerdings die sehr ausführlichen Monologe Lovetts zwischen den Titeln – einen Texaner mit seinem nuscheligen Akzent zu verstehen, der von Tourerlebnissen plaudert und sich (offenbar nach dem Besuch eines Bäckers in Stuttgart) als „Brotschen-Fan“, nämlich Freund gebackener Weißbrote bezeichnet – das ist eine echte Herausforderung für mein Englisch.

So konzentriert und gut aufgelegt habe ich lange keine Band mehr erlebt: Trotz der sehr abwechslungsreichen und zum Teil richtig schwierigen Songs spielen sich Lovett und seine Musiker durch fast zwei Stunden Programm und schließen das Konzert mit dem gospelhaften „Church“ und der programmatischen Zeile

it’s time for dinner now let’s go eat

Guten Appetit und kommt mal wieder, Jungs!

Miles Davis + Band: Die Philharmonie kochte

Als Miles Davis und seine neu formierte Band (mit Herbie Hancock, Tony Williams, Ron Carter und Wayne Shorter) 1964 in der Philharmonie auftraten, dampfte wahrscheinlich die Luft. So hitzig, so funky und gleichzeitig so unterkühlt wie auf [amazonjs asin=B0007RO4YE] hörte ich zuvor von keinem anderen Musiker und keiner anderen Band Jazz.

Tony Williams sorgt für einen so drückenden Groove auf dem felsenfesten Fundament des monströs fetten Kontrabass von Ron Carter. Herbie Hancock spielt links funky und rechts komplex – so eine Mischung aus Hot und Cool hat es vor 1964 nicht gegeben. Wenn es eine musikalische Überleitung vom klassischen Cool-Jazz zur modernen Musik und dem Jazzrock gibt, hier ist sie. Und die Philharmonie sorgt für einen wirklich angenehmen, „holzigen“ Sound, bei dem wir jedes Instrument an der richtigen Stelle hören – ein Meilenstein der modernen Musik.

[rating:5]

Levon Helm groovt zwei Mal auf einem australischen Doppelpack

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Dies ist eine CD mit zwei (!) Alben von Levon Helm. Levon Helm, das ist der Drummer von „The Band“. Der Mann mit der schönen Stimme und der fetten Bassdrum. Der in 2008 mit „Dirt Farmer“ eines der schönsten Americana-Alben heraus brachte, nachdem er an Kehlkopfkrebs fast gestorben wäre.

In den 80ern war Levon Helm ein Superstar. Und konnte die besten Musiker (Dr. John, Paul Butterfield, Donald „Duck“ Dunn) für sein erstes Soloalbum „..& the RCO Allstars“ in’s Studio holen. Das groovt wie die Sau (kein Wunder bei DER Besetzung) und schiebt mit wilden Triolen durch die Südstaaten-Ecke der amerikanischen Musik – Dr. John sorgt für Gesang und wildes Klavier und Paul Butterfield spielt so schön seine Harmonika, dass es zum Heulen ist. Ein gutes, ein fast perfektes Album, aber Helm kommt darin nicht so vor. Und es fehlt etwas die Seele.

Ganz anders dagegen im 2. Album „American Son“ von 1980: Eingespielt mit einer Truppe erlesener Country-Mucker aus Nashville kommt zum (entspannteren-) Groove hier die Seele dazu. Großartige Harmoniegesänge, Levon Helm singt wie der junge Gott (er hat keine wirklich schöne Stimme, zieht aber jeden Zuhörer durch seinen Ausdruck in den Bann). Zwei Mal Georgia („Watermelon Time“ und „Sweet Peach..“) markieren den unglaublich entspannten Groove. Dazwischen mördermäßiger Gesang („Violet Eyes“ und „China Girl“) und kein einziger Füller. Der Groove dieses Albums und der beseelte Gesang lassen einen keine Sekunde los. Wohl das beste Album von Levon Helm neben seinen vielen Studio- und Bandjobs.

Diesen „Doppelpack“ (zwei Alben auf einer CD) gibt es nur in Australien und nur von wenigen Anbietern. Ein absolutes Muss für Freunde entspannter Rock- und Countrymusik mit gutem Gesang. Der Anbieter lieferte bei mir übrigens in weniger als einer Woche, was ich genauso unglaublich finde wie diese beiden Alben.

Lyle Lovett macht kleine Musik ganz groß

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[rating:3.5]

Lyle Lovett versammelt hier im wahrsten Sinne eine „Large Band“ um sich, um ganz „kleine“, einfache Songs mit einer buchstäblich gigantischen Produktion einzuspielen. Und kultiviert seinen Hang zu sehr abwechslungsreichem „Stilbruch“ auf höchstem Niveau. Dass die Songs mit einer Ausnahme neu und von Lovett selbst sind, hört man nicht unbedingt heraus. Klassische Themen der amerikanischen Volksmusik (Heimat, Liebe, das schöne Mädchen) werden erst durch den knappen, präzisen Erzählstil und den sarkastischen Humor Lovett’s modern.

Unglaublich und faszinierend abwechslungsreiche Arrangements unter Einsatz praktisch sämtlicher Instrumente und Sounds, die moderne amerikanische Musik zu bieten hat:

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Holly Cole macht Kommerz

„I Can See Clearly Now“ ist ohne jeden Zweifel einer der ganz großen Soul-Hits (und ziemlich tiefes Wasser bei dem Text). So war ich zuerst interessiert und danach wenig begeistert von dieser Interpretation:

Da wäre weniger mehr gewesen. Und diese Synth-Streicher. Brrrr.

Retro-Soul-Rock vom Meister der Latino-Ballade

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[Rating:4.5]
Willy DeVille hatte sich seit dem Debütalbum seiner Band Mink DeVille als der ultimative King der Ballade etabliert. Romantischer, männlicher, verletzter und theatralischer klang davor und danach kaum ein anderer. Nach den ersten drei Alben wechselte die Band zum Label Atlantic, bekam mit Jack Nitzsche einen erfahrenen Produzenten und heraus kam:

Eine härtere Gangart. Saxophone und eine sehr präzise rockende Band untermalen DeVille als romantischen Rocker. Keyboards und Akkordeon umrahmen den energetischen Gesang DeVilles. Schwere Drums und altmodisch zerrende Gitarren, auch Marimbas sorgen für bodenständigen Groove.

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Neville Brothers – Best Sound by Daniel Lanois

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Die Neville-Brothers haben Aaron Neville, eine der auffälligsten Stimmen des Soul und sie hatten für ihre überragenden Alben „Yellow Moon“ und „Brothers Keeper“ Daniel Lanois als Produzenten. Und der sorgte für einen unglaublichen Sound: Hallfahnen, die traurig mit dem Saxofon verwehen, Delays, die den Rhythmus mit bestimmen, Gitarren, die so scharf und sahnig klingen, als wäre die Endstufenröhre des Fender-Amp direkt an das Gehirn des Hörers angeschlossen. Interessanter, abwechslungsreicher und markanter kann Soul-Pop kaum klingen. Die Zusammenstellung ist gelungen. Wer nicht „Yellow Moon“ – ein Ausnahmealbum – im Regal hat, wird mit diesem Sampler sicher glücklich.
[rating:4]

Mink DeVille – immer wieder originell

[amazonjs asin=B00005NU2X] Auf diesen gelungenen Sampler von Mink DeVille wurde ich aufmerksam durch einen allerdings nicht ganz so tollen Live-Mitschnitt von Willy DeVille (Berlin 2002). Willy hat eine unverwechselbare (Raucher-)stimme, die immer zwischen arrogantem New-Yorker (Lou Reed lässt grüßen) und romantischem Latino Romantico pendelt – und das hat viel Klasse. Dieser raue Gesang rettet die oft doch sehr sentimentalen Songs vor dem Abgrund des Schmalzes. Faszinierend, wie er ganz elegant und unauffällig lateinamerikanische Rhythmen (viel Rumba, Cha Cha Cha, Bossa) mit klassischem Soul und Rhythm-Soul mischt. „Mixed Up, Shook Up Girl“, „Spanish Stroll“, „Cadillac Walk“ – Songs für die Ewigkeit. Die ersten drei Alben der Band sind hier gut zusammengefasst.

Was hier fehlt, sind die großartigen Songs von DeVille’s drittem Album „Coup de Grace“. Der Wechsel zum Label Atlantic ist daran schuld. Und zu entdecken sind auch immer wieder die tollen Coverversionen von DeVille: „Hey Joe“ zum Beispiel war für mich die oberamtliche Version dieses Klassikers.
[rating:3.5]

Cowboy Junkies – The Trinity Sessions

Velvet Under Ground in der Kirche – Trance-Folk mit Sound und Charme
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Die kanadischen Cowboy Junkies verfolgten mit diesem radikalen Sound (eine Band, eine Kirche, ein Take) und der faszinierenden, immer etwas gelangweilt klingenden Stimme der Sängerin Margo Timmins ein radikales Konzept: Eigene und fremde Kompositionen in Zeitlupe, mit ganz einfachen Arrangements und viel natürlichem Hall. Und das 1987, als die Synthis und Sampler um die Wette knallten.

Das klingt faszinierend nach den frühen Velvet Underground und deren Album „VU“, ohne desse radikale Härte und Schärfe. Manchmal klingt es aber auch etwas schlafmützig. Sehr eigene interessante Interpretationen von Traditionals (der gänsehauterzeugende Opener), Elvis „Blue Moon“ eigenwillig in Slowest-Motion, Hank Williams „I’m So Lonesome“ ohne künstlichen Schmalz und Lou Reed „Sweet Jane“ ohne dessen Arroganz – große Klasse.

Und dieser Sound ist einmalig: Natürlich der Hall, leise die Instrumente deutlich der Raum und faszinierend rauchig die Stimme – ich liebe solche Aufnahmen ohne Schmu und Effektgeräte. Die durchaus hörbaren Längen einiger Stücke verhindern den 5. Stern nur knapp.
[Rating: 4]

Randy Newmann mit Gitarre – eine musikalische Perle

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[Rating:4.5]

Lyle Lovett ist in Europa weniger als Musiker bekannt denn als Ex-Ehemann von Julia Roberts und interessanter Schauspieler in einigen Filmen von Robert Altmann (The Player, Short Cuts, Cookie’s Fortune) – völlig zu Unrecht. Mit einem ganz bösen Humor, genauer Beobachtung und sehr reduzierter, dafür umso eindringlicherer Sprache entwirft er hier in 18 Songs eine kleine Welt für sich.

Liebe zum Pinguin, das fette Mädchen und warum Lyle Lovett jeden liebt (der Titelsong) bestechen als Songs durch Überraschungseffekt, Authentizität und erinnern mehr an Randy Newman, Townes Van Zandt und ähnliche Singer/Songwriter als an Country, worunter Lovett üblicherweise abgelegt wird.

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Frauenpower pur – Motown von Patti Labelle und Laura Nyro

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[Rating:4.5]

Dieses Album beginnt mit einem der ungewöhnlichsten Vokalarrangements: „I Met Him On Sunday“ ein alter Motown-Hit der Shirelles, wird von 4 sehr unterschiedlichen, sehr kraftvollen Frauenstimmen gesungen wie von einer Doowop-Gruppe – jede Frau singt eine Zeile. Eine rhythmisch präzise Begleitgruppe füllt den Sound etwas auf – die Fröhlichkeit und musikalische Begeisterung der Sängerinnen springen sofort auf jeden Hörer über.

Die aufstrebende Singer/Songwriterin Laura Nyro, später bekannt geworden mit ihren sehr experimentellen Alben und Labelle, eine zu diesem Zeitpunkt schon eher stagnierende Gesangsgruppe um Patti Labelle und Nona Hendryx fanden sich 1971 unter etwas merkwürdigen Umständen zu dieser Produktion zusammen. Tagelang saßen die vier Frauen im Studio und probten, ohne eine Note aufzunehmen. Erst kurz vor Ultimo, quasi „One-Take“ entstand dieses ungewöhnliche Album. Die Frische des Gesangs, die zupackenden Arrangements, die hörbare Heiterkeit der Musikerinnen und deren fantastische Stimmen sorgen für Gänsehaut und Überraschung beim Hörer. Begeisterung für die Hits der eigenen Kindheit und der Background der 4 Sängerinnen als Doowop-Straßenmusikerinnen werden hörbar und sorgen für ein Ausnahmealbum.

Amy Winehouse – zu kurz, zu banal, zu schlecht gesungen

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[Rating:3]

Ich bin bekennender „Nicht-Fan“ von Amy Winehouse. Ihr Gesang ist in meinen Ohren nicht (wie viele Zeitgenossen finden) aufregend oder gar erotisch, sondern einfach nur bemüht ordinär. Doch wir wollen dem Album nicht Unrecht tun. Wenn eine Plattenfirma so viel Geld für eine Künstlerin ausgibt, dann lohnt sich das in diesem Fall schon:

Kein Zweifel- dies ist ein gut gemachtes Pop-Album! Abwechslungsreiche, gekonnte Arrangements quer durch die Musikstile der 60er Jahre: Motown, Orchesterpop etwas Soul – da ist für jeden etwas dabei. Nur die Sängerin hat nicht die große, abwechslungsreiche und druckvolle Stimme, die es für ein wirklich überragendes Album brauchen würde.

Der unangenehme starke Cockney-Akzent. Die verschleiften, bemüht rotzigen Vokale, der geringe Stimmumfang – irgendwie habe ich immer den Eindruck, dass Amy Winehouse versucht, besonders verrucht zu klingen wie ein 13jähriges Mädchen aus einem Casting-Wettbewerb. Trotzdem ein gelungenes Pop-Album, das gegenüber dem Debütalbum „Frank“ von Winehouse zudem einen wesentlich besseren Sound und abwechslungsreichere Basis-Tracks hat.

Sweet Honey In The Rock – Selections 1976-1988 (1997)

Außergewöhnliche Frauen bringen außergewöhnlichen Acapella, 26. Dezember 2007
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[rating:4]
Schwarze Frauen singen zusammen feine Sachen: Sweet Honey In The Rock ist eine Gruppe von schwarzen Frauen, die seit über 30 Jahren Acapella singen. Mit klarem Bekenntnis zu den afroamerikanischen Wurzeln (geräuschhafte Sounds, Hecheln, Bellen, Juchzen markieren den Rhythmus) mit schönen Stimmen, die durch die große Besetzung an Fülle gewinnen. Und mit Texten, die kein Hörer je vergessen wird:

Mit ironischem Zwinkern schmachten die Damen „In The Upper Room“ – da wohnt nämlich Jesus. Sie singen über Kinder, saufende Männer, misslungene Demonstrationen und alles, was die bürgerrechtsbewegte schwarze Frau so bewegt. Und durch den freien Rhythmus und entspannten Vortrag der Sängerinnen groovt dieser Chor zum Steinerweichen schön. Diese Kombination von intellektuellem Anspruch (dies ist die Acapella Gruppe mit den meisten Doktorinnen und Professorinnen auf der Welt), Witz und schönem Gesang kommt gut an, wenn man sich auf den gemächlichen Musikstil einlässt.

Mit diesem erzählenden, entspannten Gesangsstil sind die Damen einzigartig. Der Sampler bietet einen guten Überblick über die ersten acht Alben der Gruppe, deren Besetzung häufig wechselte. Durch die unterschiedlichen Stimmen kommt zusätzlich Abwechslung in die Stücke. Einige Damen haben gaaanz tiefe Stimmen, andere bellen und hecheln wie die jungen Hunde – eigenartig, interessant!

Das Booklet ist wunderbar ausführlich und stellt alle Bandmitglieder dieser Zeit ausführlich dar. Eine gelungene Zusammenstellung und perfekt für alle, die nicht gleich 20+ Alben kaufen wollen von dieser in vielerlei Hinsicht außergewöhnlichen Gruppe.

Die Neville Brothers im Klangrausch von Daniel Lanois

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[Rating:5]

Die Neville-Brothers mixen Reggae, Funk, R&B und Soul zu einer interessanten abwechslungsreichen Mixtur. Gekonnter Gesang, ob nun einstimmig wie in dem unglaublichen „Yellow Moon“ von Aaron Neville mit seiner hohen weichen Stimmer oder als Satzgesang – es klingt immer ebenso elegant wie urwüchsig.

Zu einem Ausnahmealbum wird dies aber erst durch die überragende Produktion von Daniel Lanois mit Hilfe seines alten Mitstreiters Brian Eno: Wie hier ein wunderbar durchsichtiger, angenehmer Sound mit ausgefallenen Delay- und Halleffekten kombiniert wird, wie die Gesangsstimmen und einsam wehendes Saxophon per Hallfahne auch in den Rhythmus eingebunden werden – das hört sich einfach unglaublich an und ist einfach ein perfekter Mix. Ausschließlich mit analogem Equipment aufgenommen, ist dies eine Klangperle ohnegleichen. So und nicht anders wünscht man sich viele andere Produktionen.

Uninteressanter Sampler ohne Yazoo mit grauenhaftem Sound

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[Rating:2]

Alison Moyet hatte unzweifelhaft mit Yazoo und Vincent Clarke ihre große Zeit. Aber was kam in den 10 Jahren danach? Leider nicht viel Gutes.

Eine sehr umfangreiche Zusammenstellung von Songs der britischen Soul-Röhre, die aus nachvollziehbaren Copyright-Gründen den Schwerpunkt aber ganz klar auf den späteren Soloalben der Künstlerin bei Sony hat. Und diese Titel sind leider (unabhängig vom kommerziellen Erfolg) unterdurchschnittlich. Eine völlig beliebig wirkende Zusammenstellung von Synthiepop-Stücken unterschiedlicher Produzenten, im typischen 80er „Digital-Sägesound“ mit starker Kompression nervtötend abgemischt und Moyet singt dazu auf eine wirklich ermüdende, eintönige Art. Immer volle Pulle, ohne jede Nuancierung oder Abstufung – klingt wie „Hauptsache laut mit Synthiebegleitung“. Offenbar war nur der stille Klangtüftler Clarke in der Lage, die Sängerin in wirklich abwechslungsreichen Synthiepop einzubinden und dafür zu sorgen, dass Moyet auch mal leisere Töne anschlägt. Und so ist es bezeichnend, dass das gesanglich beste Stück Moyets „Ode To Boy“ nicht auf dem Sampler enthalten ist.

Fazit: Entbehrlich! Die wenigen guten Titel von Yazoo lohnen die Anschaffung nicht.

Donnernde Bläser, Wucht und Traurigkeit

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[Rating:4]

Joe Jackson hatte nach seinem gefeierten Album „Night And Day“ hier ein ganz minimalistisches Konzept versucht. One-Take mit Bläsern, Drums und Band in einer alten Turnhalle, aufgenommen mit wenigen von der Decke hängenden Mikros. – Gelungen!

Es geht los mit krachenden Drums und Bläsern in „The Verdict“ so fett, wie ich vorher noch nie und seitdem selten Bläser gehört habe (die Holzwände des Aufnahmeraums tun dem Sound gut). Dramatisch werden Schuld und Sühne abgehandelt, danach geht es weiter mit einem ironischen, verhaltenen, fast gespenstisch dünn instrumentierten „Cha Cha“, der trotzdem viel südamerikanisches Flair hat. „Not Here, Not Now“ eine todtraurige Ballade zur stimmungsvollen Untermalung durch eine billige Rhythmbox wird von dem extrem funkigen „You Can’t Get What You Want“ abgelöst. Hier kann die glänzend aufgelegte Band mit Vinnie Colaiuta (dr) und Graham Maby (bg) so richtig fetzen. Tolles Gitarrensolo im BeBop-Stil und danach gleich das stampfende, von knallenden Drumschlägen in ein geradezu zwanghaftes Korsett gezwängte „Go For It“ mit wilden unisono spielenden Bläsern.

Danach wird es dann etwas flacher, bis das ironisch-traurige „Be My Number Two“ für mich jedenfalls das Album beschließt.

Joe Jackson hat nicht umsonst jahrelang die musikalische Schulbank im Konservatorium gedrückt. Nach dem Flirt mit Punk (Look Sharp) und Swing/Punk (Jumpin’Jive) und dem großen Rundumschlag von „Night And Day“ sollte es hier großes Drama werden und dicker Sound. Beides gelungen. Und möge sich bitte niemand beklagen über die teilweise spürbare kalte Perfektion des Albums. Joe Jackson ist nie herzlich gewesen in seiner Musik.

Dies ist artifizieller Pop auf höchstem Niveau. Und auch wer nur mal seine Stereoanlage testen will, kann dies mit „Body And Soul“ mit viel musikalischer Freude tun.

The Three Pickers – Doc Watson, Earl Scruggs, Ricky Scaggs

3 ältere Männer mit Saiteninstrumenten und das live,

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[Rating:3]

Ältere Männer mit Saiteninstrumenten: Ricky Skaggs (* 1954) ist der Jüngste an Gitarre und Mandoline mit nur 45 Jahren Erfahrung als Musiker; der legendäre Earl Scruggs (*1924) am Banjo und der nicht minder legendäre Doc Watson (* 1923) an der Gitarre spielen ganz entspannt mit einigen Gästen ein Live-Konzert nur mit traditioneller Bluegrass-Musik.

Längere Ansagen wechseln sich ab mit zum Teil rasend schnellen, manchmal auch überragend schön gesungenen Folk- und Countrynummern. So jugendlich frisch und rasant ist das meist, dass es einen vom Hocker reißt. Höhepunkte des Konzerts sind die Titel mit der famosen Alison Krauss (Stimme und Geige). „The Storms are On The Ocean“ und vor allem das fantastisch Acapella eingesungene „Down To The River And Pray“ verströmen auch durch den Kontrast der etwas belegten Stimmen der älteren Männer mit dem unaufdringlich schönen Sopran von Krauss eine solche Wärme und Leidenschaft, wie es nur in einem gelungenen Live-Gig möglich ist. Das Publikum geht richtig mit, es kommt zu einem abwechslungsreichen Miteinander von Künstlern und Publikum, das ein gutes Live-Konzert auszeichnet.

Und für die Freunde virtuoser Saitenmusik ist das Album auch ein Muss: Earl Scruggs hat die amtlichen Schulbücher für Banjo geschrieben und spielt so abwechslungsreich und tricky wie ein junger Gott. Ricky Scaggs steht dem in nichts nach. Und wie Doc Watson mit angenehm fließenden Läufen auch in höchstem Tempo für die Begleitung sorgt – einmalig.

Das Album ist auch als DVD mit dem gesamten Bildmaterial erhältlich – ein außergewöhnliches Konzert.

Aztec Camera – rasante Gitarren und etwas Melancholie

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[Rating:5]

Dieses Album erschien 1983 und ließ mich bis heute nie los. Ein überragendes Pop-Album, zeitlos, elegant und mit viel Stimmung. Roddy Frame, der Mastermind und Singer Songwriter präsentiert hier mit seiner Band melancholischen Folk-Pop mit teilweise sehr extravaganten Gitarrenparts.

Schon der rasante Opener „Oblivious“ zeigt, wo es langgeht: Vertrackte Rhythmen und Harmonieren zu sehr eingängigen und poppigen Melodien, die mit fast traurigem Gesang kombiniert werden.

Roddy Frame ist ein ganz origineller Gitarrist. Ohne große Soundspielereien, dafür aber mit viel Druck und reich an Abwechslungen spielt er wie eine Mischung aus Joe Pass und Stevie Ray Vaughan. Und die Songs haben wirklich große Klasse: „Walk Out To Winter“ überzeugt mit einer bestechenden Hookline und rasantem Zusammenspiel der Band. Ähnlich kommt das melancholische „We Could Send Letters“ daher. In „Release“ driftet Frame sehr gekonnt in feinste Melancholie zur gepflegten Gitarrenbegleitung ab, um bald danach mit dem hymnischen „Back On Board“ das Album drei Songs vor Ende abzuschließen.

Ein Album mit sehr viel Langzeitwert durch die rauen, unverwechselbaren und vertrackten Songs.

Lowell George summt aus dem Grab "Roll Um Easy"

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[rating:3.5]
Lowell George, der „Admiral“ und Sänger der grandiosen Band „Little Feat“ starb 1979. Fast 20 Jahre später machten sich 1998 mit diesem Tribute-Album einige Hardcore-Fans aus dem Umfeld von George und Little Feat daran, die Songs von George neu aufzunehmen. George ist für mich bis heute der mit Abstand kreativste, abwechslungsreichste und intelligenteste Songwriter im Grenzbereich zwischen Rock, Country und Folk. Da hätte es sich doch angeboten, einige der bekannteren und zutiefst originellen Hits von George wie die Fernfahrer Hymne „Willin“ oder den rasanten „Dixie Chicken“ zu covern und gut wäre es gewesen. Weit gefehlt! Dies ist ein Projekt von Hardcore-Fans. So leicht wollte es sich niemand machen.

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Amy Winehouse – geniale Jazzmusikerin?

Wenn die NETZEITUNG MUSIC: Chronik eines angekündigten Todes nach dem Konzertbesuch einer beeindruckten Journalistin dramatisch vermeldet, die britische Popsängerin Amy Winehouse sei nicht nur vollständig zugedröhnt, sondern auch brilliant, ja genial…

Also da hatte ich schon nach dem sehr ruppig gesungenen Erstling „Frank“ erhebliche Zweifel. Und die haben sich bis heute nicht gelegt. Amy Winehouse ist nach meinen bescheidenen Vergleichsmöglichkeiten keine brilliante Sängerin. Konzertbesucher, die solches behaupten, mögen einmal Madeleine Peroux, Malia, Rebekka Bakken oder Holly Cole hören, um überhaupt eine Vergleichsmöglichkeit zu haben. Und von Genie ist Amy Winehouse mit Sicherheit ebenso weit entfernt wie vom Jazz. Wer solche verquasten Huldigungen von sich gibt, outet sich damit als skandal-lüstern und kann dies in der gelben Presse besser unterbringen. Oder sollte sich einmal Gedanken machen über die Zusammenhänge zwischen öffentlichem Drogenkonsum, gefälliger Vermarktung und Musikindustrie.

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Herbie Hancock macht's mit Joni Mitchell

Joni Mitchell als Inspiration und ultra-cooler Kammerjazz
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[Rating:4.5]

Herbie Hancock ist als Musiker dann am überzeugendsten, wenn er es richtig krachen lässt (wie auf seinem tollen Frühwerk „Headhunters“) oder wenn er seine Fähigkeit zu sparsamstem, kühlen Pianospiel richtig kultiviert. Hier gelingt ihm Letzteres wunderbar – kein Joni-Mitchell Coveralbum (dazu sind die Stücke vielfach zu weit von den Originalen entfernt), aber auch keine einfallslose Hommage. Weiterlesen

Soulsyndicate am 05.10.2007

Bassist Oliver OstendorfWie der Website von Soulsyndicate zu entnehmen ist, spielen die Jungs ihren tanzbaren Soul im

Zosch, Fr. 05.10, 22:Uhr

und ich tanze um diese Zeit noch ganz ernsthaft Cha-Cha. Wo das Zosch ist? Keine Ahnung.

Eigentlich wollte ich der Welt nur mal zeigen, wie ein stoischer Bassist (hier: Oliver Ostendorf) im letzten Drittel eines anstrengenden Live-Gigs guckt.

Yazoo – You And Me Both (1983)

Highlight vom Mozart der Synthies Vince Clarke und der großen Alison Moyet

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[rating:5]

Ein herausragendes Album in der Sparte Pop/Elektronik der 80er Jahre, die wirklich nicht arm waren an Duo-Projekten dieser Art. Nicht nur eine Folge von Hits, sondern sehr anspruchsvolle und streng durchkomponierte und extrem fantasievolle Musik von Vincent Clarke, der die damals noch recht beschränkten Möglichkeiten der Elektronik voll ausreizte und in einem Interview bekannte, niemals dasselbe Pattern (eine kleine abgespeicherte Phrase) zwei Mal zu verwenden – das hört man:

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Randy Newman – Sail Away (1972)

Randy Newman, der intellektuelle Zickendraht zeigt es Allen,
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[Rating:5]

…. mit diesem ungewöhnlichen Studioalbum aus dem Jahr 1972: Vertrackte, bösartige Texte, die sich keinesfalls um Liebe oder ähnlich einfache Dinge drehen dürften. Satire, bösartige Ironie und Bitternis verpackt in kleine kunstvolle Pop-Opern.

„Sail Away“ beispielsweise trieft geradezu vor süßlicher Musikromantik und handelt doch nur Sklavenhandel und Vietnamkrieg ab. Ebenso bösartig und gewollt naiv klagt der Künstler über die Höhe des Startums („Lonely At The Top“) und ganz am Ende kommt mit „You Can Leave Your Hat On“ einer der treibendsten, sexiesten und spannendsten langsamen Rocksongs aller Zeiten. Newman gebraucht diese fantastische Musik eigentlich nur dazu, ein seltsames Beziehungsspiel darzustellen. Und doch wurde dieser überragende Song in der lahmen Interpretation von Joe Cocker (der ja nichts von Ironie versteht) ein Welthit und seitdem auf jeder einschlägigen Veranstaltung gespielt.

Dieses Album ist völlig zeitlos und geradezu ein Klassiker der anspruchsvollen Rockmusik.

Bonnie Raitt – Nick Of Time (1989)

Das völlig zeitlose und gekonnte Durchbruch-Album von Bonnie Raitt,

Bonnie Raitt - Nick Of Time (1989)

Nick of Time

[rating:5]

… war Grund für einen Grammy Gewinn und zugleich das Ende einer langen kommerziellen Durststrecke für Raitt.

Der Titelsong, eine nachdenkliche schnelle Ballade über’s Älterwerden mit eleganten Gitarren und dezent gemachten Keyboards zeigt schon, wo es lang geht: Nicht nur reiner 12-Takt Blues, sondern von Produzent Don Was unauffällig glatt geschliffener R&B, wobei Raitt ihre schöne Stimme und ihr effektvoll-laszives Slidegitarrenspiel in ein Gerüst aus filigranen Keyboards und Gitarren einbindet.

„Thing Called Love“ ein Song von John Hiatt wird mit einem interessant schüttelnden Rhythmus von akustischen Gitarren zu schweren Drums fast schon besser als das Original. Immer bleibt es geschmackvoll, dabei voll radiotauglich. Und wenn Raitt im 10. Titel zum unterkühlten Piano von Herbie Hancock eine herzergreifende Ballade singt („I Ain’t Gonna Let You Break“), dann ist das ungewohnt, gelungen und magisch. Ein Ausnahmealbum. Das (wie bei Raitt kaum anders zu erwarten) mit einem virtuosen 12-Takt Blues versöhnlich abschließt.

John Hiatt – Perfectly Good Guitar (1993)

Kommerziell – krachende Gitarren, aber am besten sind die Balladen,

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[rating:3.5]

Dies war 1993 fast 10 Jahre das letzte von Hiatt’s guten Alben – ein Run, der mit Bring The Family begann. Wie der Titel und das Cover schon verraten hören wir einige krachende Gitarren, viel Feedback und einen fetten Bass zu Songs, nur die jeder für sich unterschiedliche stilistische Vorbilder (in Klammern) und viel Gitarre gemeinsam haben:

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