Gesichter vo(r)m Gasometer Schöneberg

Wolfgang Leonhardt von der Volks-Galerie hat wieder zugeschlagen und eine Fotoserie von Nachbarinnen und Nachbarn präsentiert, die hier im Cafe Peppe zu sehen ist.

Was die porträtierten Menschen eint, ist der kleine schwarze Gasometer im Hintergrund, dessen Vorlage ebenfalls ausgestellt ist. Und das Statement:

Hier, am Gasometer, ist für mich Heimat.

Gelungen. Anrührend.

Sündenfälle der Stadträtin?

In einem offenen Brief Sündenfälle der Dr. Klotz kritisiert der Verfasser die derzeit amtierende Stadträtin für (u.a.) Stadtentwicklung und Bauen, Dr. Sibyll Klotz (Grüne) und meint am Beispiel des umstrittenen Bauvorhabens Crellestraße 22a, die Stadträtin müsse sich stärker gegen Nachverdichtung engagieren. Er bezieht sich dabei auf einige auch in meinen Augen übertrieben defensive Äußerungen der Stadträtin in einem Artikel der TAZ, wo Frau Dr. Klotz u.a. zitiert wird:

 „Die Baumaßnahme … finde ich heftig, aber
das darf ich nicht entscheiden.“

Das ist so schlicht sicherlich nicht richtig – eine unglückliche Äußerung oder ein aus dem Zusammenhang gerissenes Zitat. Dennoch ist es falsch, die erst seit 2012 amtierende Baustadträtin für die Probleme und Planungsfehler zum Beispiel in der Crellestraße zum Sündenbock zu stempeln. Denn das ist ein älteres Problem und nicht zuletzt eine Frage des Geldes. Ich habe dem engagierten Briefschreiber geantwortet und darauf hingewiesen, dass die jetzt zu beobachtende „Vorfahrt für Grundstücksaufkäufer“ Folge älterer Weiterlesen

Sitzungshorror Stadtplanung

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Interessierte BürgerInnen ohne Platz

Es gibt Ausschussvorsitzende, die haben ihre Sitzungen im Griff. Leider gehört der derzeitige Vorsitzende des Ausschusses für Stadtplanung Tempelhof-Schöneberg Reinhard Jahnke (SPD) nicht dazu. Zur heutigen Sitzung setzte Jahnke zwei heftig umstrittene Bebauungspläne auf die Tagesordnung (BautzenerBrache und Viktoriakiez) und lud dann noch den Architekten des aktuell hoch umstrittenen Vorhabens Crellestraße 22a/23 zur Präsentation ein. Der reguläre Sitzungssaal war dafür natürlich zu klein, schätzungsweise 100 Zuhörer drängelten sich ohne  ausreichende Sitzgelegenheiten auf dem Fußboden und entlang der Wände. Anstatt den für solche Teilnehmerzahlen gerade noch ausreichenden Luise-Schröder Saal zu bestellen, programmierte Jahnke so grund- und sinnlos das Chaos. Als anderthalb Stunden nach Sitzungsbeginn die bei bereits bestehendem Baurecht völlig sinnlose Projektvorstellung immer noch nicht abgeschlossen war, passierte das Übliche:

Piraten-Bezirksverordneter Ickes brüllt herum, feinsinnige Architekten aus der Crellestraße möchten Detailfragen geklärt wissen und Herr Olschewski von der CDU säuselt mit Blick auf die zahlreich anwesenden BürgerInnen substanzlose Bedenken (zu einem Projekt mit Baurecht!) vor sich hin und verschweigt dabei, dass sein ehemaliger Baustadtrat Bernd Krömer (CDU) bereits 2006 unter dubiosen Umständen das heute bestehende  Baurecht geschaffen hatte.

Wer so tagt, schafft sich die Politikverdrossenheit ohne Probleme.

Crellestraße – 3 Linden und zwei Planungsfehler

Manchmal müssen Anwohner für die absichtlichen Sünden der Verwaltung (in diesem Fall von Ex-Baustadtrat Bernd Krömer (CDU) büßen. Manchmal ist Verwaltung aber einfach auch nur vertrottelt und verpeilt. Wenn jetzt in der Crellestraße an der Langenscheidt-Brücke ein ebenso gesichtsloser wie massiver Block mit Eigentumswohnungen entsteht, dann ist das so ein Fall und die Folge von Beidem:

Die neu gegründete Bürgerinitiative kritisiert zu recht, dass an dieser Ecke massiv gebaut wird und dafür drei große Straßenbäume fallen sollen. Ein weiterer Artikel mit diesem Tenor findet sich auf dem rote-insel.blog. Den Betroffenen scheint es so, als hätte sich die Bezirkspolitik gegen sie verbündet und das würde momentan die aktuell zuständige Stadträtin Sibyll Klotz (Grüne) treffen. Dem ist aber nicht so. Eingetütet hat diese (das muss einmal so deutlich gesagt werden) Planungssünde der immer wieder durch überraschende und nicht kontrollierbare Winkelzüge aufgefallene Ex-Stadtrat Bernd Krömer (CDU) – er und nur er erteilte an den Gremien vorbei einen positiven Bauvorbescheid, auf den sich der Bauherr jetzt stützen kann. Und die bezirkliche Verwaltung verpeilte es schon vor Jahren (hier wie noch viel gravierender im Bahngraben entlang der Eylauer Straße). Obwohl bekannt war, dass die Entlassung großer Flächen aus dem Herrschaftsbereich der Bahn bevorsteht, verzichtete die Bezirksverwaltung letztlich (gegen die Beschlüsse der BVV) auf eine geordnete Bauplanung für diese Flächen. Und das führt letztlich dazu, dass am „Viktoriakiez“ überwiegend im unbeplanten Außenbereich gebaut wird und an der Crellestraße ein außerordentlich bauherrenfreundlicher Bauvorbescheid herausgereicht werden konnte, ohne gegen aktuelles Planungsrecht zu verstoßen. Denn es gab dort kein Planungsrecht, als Krömer selbstherrlich die Bauherren beschenkte.

Der in solchen Fragen überhaupt nicht zuständige, aber immer gern kommentierende Wahlkreisabgeordnete Lars Oberg (SPD) hat dies auf der SPD-Homepage ausführlich und zutreffend dargestellt. Mehr gibt es dazu eigentlich nicht zu sagen. Wahrscheinlich werden jetzt auch die Anwohner der Crellestraße hoffen, dass Krömer möglichst bald seinen Job als Staatssekretär bei CDU-Chef Frank Henkel verliert. Linden wachsen schneller als solche „Kommunalpolitiker“ verschwinden.

Julius Leber – die offenen Fragen

Am 18.03.2013 wäre Annedore Leber, die Ehefrau und Witwe des Widerstandskämpfers Julius Leber (SPD) 99 Jahre alt geworden. Sie betrieb an der Einmündung der Leberstraße auf die Torgauer Straße eine Kohlenhandlung, deren letzte Betriebsstätte noch heute in Form einer kleinen weißen Baracke sichtbar ist. In dem durch Bombeneinschläge zerstörten vorherigen Gebäude der Kohlenhandlung war der Anschlag auf Hitler organisiert worden. Im Hinterzimmer sozusagen. Dies wollten die Initiatoren einer Demonstration in Erinnerung rufen, die an dem lausekalten 18. März von der Julius Leber Brücke über die Leberstraße zur Torgauer Straße zog.

Demo "Gedenken Leber"

Demo „Gedenken Leber“

Die bei dem Umzug im Verhältnis zur Teilnehmerzahl reichlich vorgezeigten roten Fahnen konnten nicht darüber hinweg täuschen, dass der eigentliche Grund der Demo ernster war als rote Romantik: Die Baracke mit dem letzten sichtbaren baulichen Zeichen Lebers auf der Roten Insel soll nach dem Willen der zuständigen Stadträte Krüger und Kaddatz (CDU) so schnell wie möglich abgerissen werden. Und einer Steckdosenleiste mit Park weichen, so jedenfalls die bewusst Geschichte und Ort verleugnende Version der konservativen Bezirkspolitiker. Die nach einem total vermurksten „Kunstwettbewerb“ für das Gedenken an Julius Leber zuletzt sogar mit Schadensersatzansprüchen drohten für den Fall, dass jetzt nicht schnell gehandelt und abgerissen werde. Zeit also, diese unübersichtliche Gemengelage aufzuklären und die wichtigsten Fragen zu beantworten:

Warum Gedenken an Julius Leber?

Julius Leber vor dem Volksgerichtshof
Quelle: Wikipedia

Julius Leber ist einer der wichtigsten Widerstandskämpfer gegen Hitler. Er steht mit seinem Leben und Lebenswerk dafür, dass Widerstand gegen das dritte Reich keine Angelegenheit von romantischen Studenten und adligen Wehrmachtsoffizieren, sondern vor allem auch der SPD und der organisierten linken Politik war.

Julius Leber ist sozusagen der historische und politische Gegenentwurf zu Graf von Stauffenberg. Julius Leber ist Politik statt Tom Cruise, Partei statt Adel.

Julius Leber ist mehr als ein Name für einen S-Bahnhof oder eine Brücke. Er ist der historisch wichtigste Einwohner der Roten Insel, bedeutender als Marlene Dietrich, Alfred Lion und Friedrich Naumann.

Wer hat etwas dagegen?

Die CDU. Die konservativen Provinzpolitiker Jutta Kaddatz (CDU), Bezirksstadträtin für Bildung, Kultur und Sport und Daniel Krüger (CDU), zuständig für die Neugestaltung des Grünzuges entlang der Torgauer Straße, sind offenbar fest gewillt, Julius Leber und dem sozialdemokratischen Widerstand gegen Hitler keine Chance zu geben. Vielleicht nur deshalb, weil Leber in der aus ihrer Richtung falschen Partei war. Frau Kaddatz führte trotz der eindeutigen Beschlusslage der BVV Tempelhof-Schöneberg, nämlich „Julius Leber ein würdiges Gedenken zu geben“ einen Kunstwettbewerb durch. Kunst schließt zwar Gedenken und Nachdenken nicht aus, die eingeschränkte Fragestellung (Kunst statt Denken) und der lächerlich geringe finanzielle Rahmen des Wettbewerbs (ganze 20.000 € waren ausgelobt – davon bleibt nach Umsetzung der Maßnahme praktisch nichts für den Wettbewerbssieger) sorgten für eine Steckdosenleiste als Wettbewerbsergebnis. Julius Leber und Geschichte wurden ausgeblendet. Provinziell peinlich, aber zweifellos gewollt.

Was will die SPD?

Julius Leber ist einer der wichtigsten Politiker der SPD in den 30er bis 40er Jahren. Mittlerweile will die SPD auch mehr als eine Gedenktafel. Nachdem man dort zunächst offenbar meinte, mit einem BVV-Beschluss zum „würdigen Gedenken“ sei die Sache sozusagen automatisch gelaufen, wurden auch die bezirklichen SPDler zuletzt wach. Und schwenkten auf der Demonstration rote Fahnen. Jetzt müssen sie nur noch das Gedenken und Nachdenken durchsetzen. Gegen CDU und angebliche Sachzwänge.

Was braucht Julius Leber?

Zunächst einmal Geld. Wesentlich mehr als die 20.000 €, die aus Mitteln des Stadtumbau West für ein Betonquadrat nebst Steckdosenleiste abgezweigt werden sollten. Ein Ort des Gedenkens und Nachdenkens über den deutschen Widerstand und Julius Leber als historische Person braucht nach Auffassung der Fachleute vor allem zwei Dinge:

Wettbewerbsbeitrag „Kohlenhandlung“

Sichtbarkeit und inhaltliche Gestaltung.

Ob eine entsprechende Gestaltung der Baracke der richtige Weg ist, wie in einem anderen (nicht prämierten-) Wettbewerbsbeitrag. Oder ob es sogar ein kleines Museum braucht oder eine ausführlich und sachkundig gestaltete Gedenkstätte: In jedem Fall ist der Ort, wo der Widerstand gegen Hitler geplant wurde, sichtbar zu machen und fachkundig zu gestalten. So dass dies zum Erinnern und Nachdenken anregt. Es muss ja nicht gleich ein Projekt wie das jüdische Museum sein. Nur historisch korrekt und sichtbar.

Wer kann Julius Leber?

Bleibt die Frage, wer das organisieren und finanzieren soll. Das in diesem Fall CDU-geführte Bezirksamt jedenfalls nicht, das haben die bisherigen Erfahrungen gezeigt. Das Bezirksverwaltungsgesetz erlaubt es leider nur in seltenen Fällen, den zuständigen Stadträten vorzuschreiben, was sie tun sollen. Und diese beiden Perlen der Provinzpolitik werden sich wohl bis zuletzt verweigern. Daher muss wohl das Land Berlin ran.

Es wird Zeit für die SPD, den Worten und Bekenntnissen auch Taten folgen zu lassen und über die Parteischiene Geld und Kompetenz auf Landesebene einzuwerben. Nicht nur hat der deutsche Widerstand überregionale, sozusagen hauptstädtische Bedeutung. Ob die Gedenkstätte deutscher Widerstand auch außerhalb des Bendlerblocks (heute sitzt dort das Bundesministerium für Verteidigung) tätig wird und sozusagen eine Zweigstelle betreut. Oder ob mit einer Mischfinanzierung aus Landes-, Bezirksmitteln und Mittel aus dem Stadtumbau West – es gibt genügend Institutionen und Personen, die zur inhaltlichen Konzeption bereit und in der Lage wären. Es fehlen nur noch Organisation und Mittel. Wer BBI-Desaster kann, für den sollte das ein überschaubares Projekt sein.

Was kann ich tun?

Es ist sicherlich nicht falsch, sich bei den beiden zuständigen Bezirkspolitikern zu beschweren. Und sie daran zu erinnern, dass Beschlüsse der Bezirksverordnetenversammlung beachtet werden sollten. Und dass Steckdosenleisten nichts mit Geschichte zu tun haben.

Ansonsten sind die für das Thema engagierten AktivistInnen unter dem Dach des Stadteilvereins Schöneberg zu erreichen. Da lohnt es sich, mitzumachen. Für Geschichte statt Vermeidung.