Kat Edmonson – Way Down Low (2013)

Kat Edmonson, die Sängerin mit der kratzigen, extrem modulationsreichen Stimme, ist meine große Hoffnung im Grenzbereich von Pop und Jazz.

Auf diesem ihrem zweiten Album trägt Sie eigenes Songmaterial vor, dessen ironische, nachdenkliche und doch immer heitere Machart mich immer wieder zu kleinen Lachern zwingt. Wenn Sie beispielsweise in ihrem Song „Champagne“ über das gleichnamige Getränk sinniert und dessen Auswirkungen auf ihren eigenen Umgang mit dem anderen Geschlecht – ganz leicht, immer etwas distanziert und dazu mit den drolligsten sängerischen „Tricks“ – schon mal ein angetrunkenes Mädel singen hören? Sie deutet das nur ganz kurz an und gut ist. Es ist zum Kugeln (den Song gibt es übrigens auch bei YouTube). Nie wird es platt, nie sentimental und wenn die junge Texanerin mit breit rollenden Vokalen raunzt, dass sie irgendwie nicht für „diese Zeiten“ gemacht sei (I Just Wasn’t Made for These Times), dann glaubt man ihr das sofort. Zwar nicht ohne Mikrofon, aber als Jazz-Pop Sängerin hätte sie auch in den 50er oder 60er Jahren große Karriere gemacht.

Ihre Gesangstechnik ist ebenso originell wie songdienlich: Sie raunzt, gurrt, dehnt Vokale wie früher vielleicht Amy Winehouse, variiert geschickt das Tempo und wechselt

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Willie Nelson und das Wüstenalbum – Teatro (1998)

Überwiegend eigene Songs aus der langen Karriere von Willie Nelson werden durch die stimmige Produktion von Daniel Lanois zu einem sehr homogenen und überzeugenden Album.

Lanois hat schon Bob Dylan (Oh Mercy) und Emmylou Harris  (Wrecking Ball) zu besonderen, die Karriere der Künstler zierenden Alben verholfen. Das gelingt auch hier. Die von scheinbar zufällig dahin groovenden Drums und einem dezent treibenden Bass zusammen gehaltenen Songs mit ihren halligen, verspielten Gitarrenbegleitungen kommen ohne Ausnahme im Tex-Mex Sound daher: Rumba, Salsa, hier klingt es stark nach Mexico und Texas. Emmylou Harris begleitet auf fast allen Titeln den knorrigen Schräg-Gesang Nelsons. Sie kann das wunderbar, wie man schon etwa 25 Jahre früher auf Bob Dylans famosen Album „Desire“ bewundern konnte.

Durch die einfühlsame und stimmige Produktion, das gute Songmaterial und die begnadeten Backing-Vocals von Emmylou Harris eines der besten Alben von Willie Nelson.

Zyxel NSA325_V2 – preiswertes, energiesparendes NAS mit kleinen Macken

Ich habe zwei ZyXEL NSA325v2 NAS-Server (2-Bay, SATA II, 1x Ethernet, USB 3.0), die V1 zu Hause und die V2 im Büro, jeweils mit der aktuellen FW 4.70. Für einige Einsatzzwecke ist dies (die Hardware-Unterschiede V1 und V2 sind minimal) ein sehr gutes Gerät. Preiswert ist es sowieso. Im Einzelnen:

Die Lautstärke: Ja, auch meine im Januar 2014 gekaufte NSA325V2 hat einen Lüfter, den man nach zwei bis 3 Betriebstagen (zuerst war sie ganz leise) in einem ruhigen Zimmer deutlich hört (es ist ein an- und abschwellendes Geräusch, das deutlich über dem Geräuschpegel eines normalen Rechners liegt). Das Gerät ist allerdings auch mit diesem billigen Lüfter deutlich leiser als meine V1 zu Hause (die steht in der Abstellkammer, wo Weiterlesen

Willie Nelson kann Cover – Across The Borderline (1993)

Willie Nelson macht auch hier sein eigenes Ding. Und puhlt dabei oft den Kern der Musik meisterhaft heraus. Bestes Beispiel bei der dieser von Anfang bis Ende lohnenden Zusammenstellung von Coverversionen bekannter Songs aus den 80ern und einigen eigenen Liedern ist bereits der Opener „American Tune“ von Paul Simon, der auch die Gitarrenbegleitung mit ihren vertrackten Modulationen spielt. Wie Nelson aus diesem exzellenten, aber im Original leider etwas sehr glatten Song ein nachdenkliches, bitteres Stück Musik macht mit Untertönen von Ärger und Zorn – das ist einmalig. Nur durch einige abrupte Temposchwankungen und etwas mehr „Feel“ im Gesang bekommt die gute Vorlage eine neue Dimension und eine interessante Note.

So ähnlich geht das auch bei vielen anderen Titeln. Die intergalaktische Ballade „Don’t Give Up“ von Peter Gabriel wird durch die verhaltene sparsame Begleitung ohne Weiterlesen

The Persuasions – Street Corner Symphony (1972)

Ein sagenhaftes, ein klassisches Acappella-Album:

Die Persuasions zelebrieren auf diesem 40 Jahre alten Album Acappella und wahren dabei ihren an Gospel und klassischem Soul orientierten Gesangsstil. Nicht der rasante stimmliche Overkill nach Art von Take 6 ist hier Maßstab, sondern die atmende, schlüssige Interpretation. Die ergreifende Interpretation des „Buffalo Soldier“, das humorvoll-erdige „The Man In Me“ und auch das abschließende Medley strahlen viel Ruhe und Souveränität aus. Und (die zum Teil heute noch singenden Bandmitglieder waren damals auf der Höhe ihrer stimmlichen Möglichkeiten) es klingt einfach wunderbar – hervorragende Interpretationen von wunderbaren Sängern, die sich und dem Zuhörer nichts beweisen Weiterlesen

Vergessene Perlen – Patty Griffin Silver Bell (2013)

Wenn so ein Album nach mehr als 10 Jahren aus den Archiven einer Plattenfirma auftaucht, ist irgend etwas falsch gelaufen:

Patty Griffin, Silver Bell (2013) – buy at your local dealer

Geplant war dieses Album als Nachfolger des rockigen und ziemlich sperrigen Albums „Flaming Red“ – es wurde bereits ca. 2000 aufgenommen. Durch den Wechsel des Labels blieben die im Studio von Daniel Lanois aufgenommenen Stücke über 10 Jahre im Archiv der Plattenfirma liegen – es ist der Wahnsinn.

Denn dies ist ein wirklich gutes Album. Es enthält mit „Truth #2“ einen der stärksten Songs Weiterlesen

Zyxel NSA 325 V2 Flame

Ich kann es manchmal nicht verstehen. Da bringt der Hersteller von Netzwerkgeräten Zyxel nach seiner gelungenden NAS mit dem seltsamen Namen Zyxel NSA325 NAS-Server (2-Bay, SATA III, 1x RJ-45, USB 3.0) unter großem Zeitdruck (offenbar das bevorstehende Weihnachtsgeschäft) einen Nachfolger heraus, der etwas anders aussieht, einen größeren Lüfter hat und laut Hersteller auch eine leicht erweiterte Firmware bekommen soll. Dann stürzen sich die Käufer auf dieses Gerät

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und zerverreißen es in der Luft: Der Lüfter ist zu laut! Oh Schreck. Der Hersteller gibt sich alle Mühe, diesen blöden Fehler zu korrigieren, verschickt Gratis-Lüfter per Post, entschuldigt sich im eigenen Forum, bei Amazon, demnächst in Ihrem Heimkino – ein Art Hersteller-Kotau.

Natürlich muss sich Zyxel (wie jeder Hersteller in solchen Fällen) fragen lassen, was dieser Blödsinn soll. Ein 80mm Lüfter ist im Einkauf vermutlich ein Teil für 2-3 EUR; mit Weiterlesen

Memphis Underground (1969)

The title-track of the album Memphis Underground (1969) by flutist Herbie Mann and many stellar artists (Larry Coryell, Ron Ayers, Tommy Cogbill, Sonny Sharrock an Reggie Young – to name a few) blew away the dust from some music-material. Rocking, steady and the ideal backing track for a summer party:

And Herbie Mann stays my favourite jazz and rock flutist, just to mention this 🙂

Countrysong rückwärts

Gestern im Admiralspalast lieferte Emmylou Harris mit Rodney Crowell und ihrer Band einen soliden Gig vor einem begeisterten Publikum ab. Gespielt wurden nach der Pause überwiegend Titel vom neuen Album [amazonjs asin=“B00AKV1K9O“ locale=“DE“ title=“Old Yellow Moon“] der beiden, die sich seit 40 Jahren kennen.

Und doch musste ich hinterher immer an den Witz von Richard Belzer denken, der den Detective John Munch in der Fernsehserie Homicide spielte; frei übersetzt geht das so:

Weißt Du was passiert, wenn man einen Countrysong rückwärts abspielt?

Zuerst kommt der Hund zurück, dann kommt der Job zurück und zuletzt kommt die Frau zurück.

Es ist das Problem mit diesem doch sehr konservativen Genre. Die Themen sind beschränkt und es läuft vielfach genau so ab, wie der charismatische und obercoole Texaner Rodney Crowell nach mehreren solcher Songs lakonisch meinte:

And now another heartache-song. Emmy, i think we are doing entertainment by heartache here, right?

Eine großartige Band begleitet ein extrem professionelles Konzert (das übrigens auf die Minute pünktlich beginnt und ebenso exakt nach einer Stunde in die Pause geht), bei dessen Songmaterial allerdings der gemeine Witz von Richard Belzer durchaus zutreffend ist. Und als Harris unmittelbar nach der Pause solo zur eigenen Gitarre ein eigenes Lied singt, mit dem der Tod ihrer Freundin Kate McGarrigle beklagt wird, hätte allerdings auch der Zyniker John Munch die Luft angehalten. Harris ist eine der beeindruckendsten Sängerinnen der Gegenwart und braucht vielleicht nur noch Songmaterial, wo der Hund fortläuft, die Kinder rebellieren, der Sekt zu gut schmeckt und die Krankenversicherung nicht zahlt. Einfach wegen der Abwechslung.

Larry Flynt & Miloš Forman

Larry Flynt  – die nackte Wahrheit (1996)

Gestern kramte ich im Heimkino mehr zufällig diesen Film heraus
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und war sehr überrascht:

Was als leicht zotige Porn-Parody mit der zuverlässig sich selbst spielenden Courtney Love als Ehefrau Flynts beginnt, steigert sich unter der gekonnten Regie von Miloš Forman zu einer packenden Charakterstudie. Und wird am Ende (in einer wirklich genialen Gerichtsszene) zum besten „Court-Film“, den ich seit Jahren gesehen habe.

Mit (wie immer bei Forman, mit dem ich gern einmal seine Plattensammlung durchgehen würde) fantastischer Musik, die auf höchstem Niveau unauffällig filmdienlich eingesetzt wird. Wie beispielsweise bei der baptistischen Taufe Flynts, die von einem geradezu Weiterlesen

Willie Nelson – Rothaarig und 80

Willie Nelson – Red Headed Stranger (1975)

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Willie Nelson wird am 30. April 80 Jahre alt. Und ist mit seiner querköpfigen Art, seinem seit Jahren kultivierten Hippietum über alle Moden hinweg ein Unikat geblieben. Und dies ist eines der zentralen Alben in der langen Reihe von Willie Nelson Alben. Der Mann, der immer sofort eine Platte aufnimmt, wenn man ihm ein Mikro vor die Nase hält. Er hat hier mit einer ungehobelten, manchmal wie Homerecording wirkenden Produktion, unglaublich eindringlichem Songwriting, seinem völlig unorthodoxen (und doch immer sehr anrührenden-) Gesang und wenig, dafür aber immer sehr markanter Begleitung 1975 ein Ausnahmealbum eingespielt. Eine Kette kleiner, sehr sorgsam vertonter Gedichte, die klingt, als seien sie von einer Gruppe Cowboys am Lagerfeuer eingespielt. So ursprünglich wie (1966 und auf andere Weise) Bob Dylans „Blonde On Blonde“. Ein völlig zeitloses Album, das durch seine rohe Weiterlesen

Michael Ruff macht Lullabies

Michael Ruff – Lovesongs & Lullabies (1999)

Michael Ruff ist vor allem als Arrangeur und Songwriter bekannt. Von Lionel Richie über Rickie Lee Jones bis hin zu Bonnie Raitt haben sich unzählige Stars seiner gekonnten Arrangements bedient und ihn als vielseitigen Keyboarder, Sänger und Gitarristen verpflichtet. Hier bindet Ruff -dem Titel des Albums entsprechend- einen bunten Strauß von Balladen und Liebesliedern, die mit einer Ausnahme (das zauberhaft und zart interpretierte „Marie“ von Randy Newman) von ihm selbst geschrieben sind.

Das Songwriting und die Arrangements sind sehr ausgefeilt: Raffinierte Modulationen, geschickt eingesetzte Tempowechsel, teilweise sehr dezent und gekonnt arrangierte Streicher. Wie clever und detailfreudig Ruff hier zu Werke geht, erschloss sich mir erst Weiterlesen

Songs nur für Erwachsene

Patty Griffin – Children Running Through (2007)

Wer ein Album von Patty Griffin hört, kann sich auf was gefasst machen. Das klingt durchaus mal schneidend und scheppernd, da wird mal ein ganzes Lied die Begleitung auf der Gitarre geschrummelt („Getting Ready“), dass es klingt wie angesäuselte Jugendgruppe am Lagerfeuer. Und doch beeindruckt mich diese Sängerin immer wieder Weiterlesen

Weltlicher Gospel ohne Kirchenschmus

Patty Griffin – Downtown Church (2010)

Eindrucksvoll: Patty Griffin versucht sich an (neben zwei eigenen Kompositionen) Gospel – man könnte auch sagen, dies ist ein Album mit spiritueller Musik ohne Kirche. Bereits im Opener „House Of Gold“ (Hank Williams) beeindruckt Griffin mit schwerem und atmenden Gesang zu einem tiefen, aber nicht unbedingt kirchlichen Text:

„People steal, they cheat and lie
For wealth and what it will buy
Don’t they know on the judgement day
That their gold and silver will melt away“

Wahre Worte, eindrucksvoll gesungen. Selbst ein Traditional wie „Wade in the water“ gelingt – es klingt immer intensiv und einmalig originell. Patty Griffins Stimme ist dunkler geworden über die Jahre, weniger schneidend und es fehlen meist die grellen Töne, welche auf ihren frühen Alben Gänsehaut und manchmal auch Entsetzen hervorriefen. „I smell a rat“ von Leiber/Stoller rockt Griffin so rotzig und gnadenlos, wie sie anschließend in „Waiting for my child“ nur zu einer leisen Orgel wie die Soul-Croonerin persönlich schmachtet. Viele Höhepunkte, eindrucksvolle Interpretationen und ein großartiger Sound. Das Album erinnert mich mit den enormen stimmlichen Möglichkeiten der Sängerin und der introspektiven Songauswahl an das großartige Album [amazonjs asin=“B000O75HHA“ locale=“DE“ tmpl=“Small“ title=“We’ll Never Turn Back“] der großen Mavis Staples.

Das Album wurde in einer (Holz-?)kirche in Nashville aufgenommen und klingt mit seiner spärlichen Instrumentierung und seiner machtvollen Frontfrau eindrucksvoll gut. Wer Soul, Country, Gospel und guten Gesang mag, ist hier allemal richtig. Eines der reifsten Alben der begabten Frau Griffin. Durch die konsequente Songauswahl und die entschlossenen Interpretationen merkt man kaum, dass es ein Coveralbum ist.

Dominik Graf schreibt über Homicide

Ein renommierter deutscher Fernsehregisseur schreibt über eine amerikanische Krimiserie

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Die Serie Homicide – The Complete Series [DVD]  ist für einen Serienführer von nicht viel mehr als 100 Seiten Umfang ein hartes Thema.  Die  zwischen 1993 und 1998 im Auftrag des amerikanischen Senders NBC  in sieben Staffeln abgedrehte Serie hatte immerhin mehr als 120 Episoden und  stand mehrfach vor dem Aus. Der deutsche Regisseur und Cineast Dominik Graf hatte daher genug damit zu tun, den Gang  der Serie und deren wesentliche Inhalte knapp zu beschreiben. Er listet die in späteren Staffeln häufiger wechselnden Darsteller auf, beschränkt sich ansonsten auf die abrissartige Darstellung der einzelnen Staffeln und beschreibt stichpunktartig diejenigen Episoden, welche ihm (und mir) bemerkenswert erscheinen. Immerhin haben bei einzelnen  Episoden so renommierte Regisseure wie Steve Buscemi und Kathryn Bigelow (beides Oscar-Preisträger) Regie geführt. Und die Darsteller überbieten sich immer wieder in grandiosen Schauspielerleistungen (die Serie hat viele Emmys – den amerikanischen Fernseh-Oscar) gewonnen. Weiterlesen

Jon Randall – Walk Among The Living (2005)

Qualitätsballaden vom sanften Countryman

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Es gibt Alben, die nicht wirklich spektakulär sind, aber immer wieder und bei jeder Gelegenheit überzeugen. Dieses 2005 vom amerikanischen Musiker Jon Randall veröffentlichte Album mit dem düster-zweideutigen Titel ist so eines. Jon Randall, der seine Karriere in Emmylou Harris Band Nashville Ramblers begann und mit dieser das grandiose Live-Album Live at the Ryman einspielte, legt hier einen sorgfältig produzierten und sehr gefühlvoll eingesungenen Strauß von Balladen vor. Mit seiner wunderschönen und sehr weichen Stimme klingt er dabei ebenso authentisch wie sein vielseitiges, immer originelles Gitarrenspiel. Ob klassische Liebesballade wie im Opener „Baby Won’t You Come On Home“, ob finsteres Trennungsdrama wie das Weiterlesen

Daniel Eschkötter – The Wire

[amazonjs asin=“3037342102″ locale=“DE“ title=“The Wire“] The Wire gilt meiner Meinung nach zu Recht als eine der komplexesten Fernsehserien aller Zeiten. Und 5 Staffeln sind kein Pappenstiel. Daniel Eschkötter geht damit geschickt um und sortiert seine 82 Seiten kurze Analyse nach Kontext und Entstehung der Serie einerseits, was ein guter Einstieg ist. Danach sucht und beschreibt er filmische, szenische und drehbuchtechnische Besonderheiten oder Grundthemen der Serie unter Zwischentiteln wie „Zusammenhänge“, „Police Work“, „Orte, Namen, Ökonomien“ und „Fälle enden“. Er geht dabei ausschließlich analytisch vor, wenn er etwa die ebenso spannende wie vielfältige Variation des Zusammenhangs in der szenischen Darstellung beschreibt. Beispielhaft am Ablauf der wirklich atemberaubend konstruierten Inszenierung der Folgen 1.4 bis 1.6 analysiert er beispielsweise, wie die Autoren und Regie das Grundmotiv „Alles hat mit Allem zu tun“ in Serienepisoden übersetzen und dadurch eine gänzlich neuartige, in dieser Form wohl nur in einer Fernsehserie erlebbare Erfahrungswelt beim Zuschauer entstehen lassen.

Er lässt die vielfältigen Handlungsstränge im Detail ebenso links liegen wie den Plot als solchen (was gut ist, denn sonst wäre das Buch unlesbar und langweilig). Dafür extrahiert Weiterlesen

Moondance – Van Morrison erobert Swing, Soul und den Rest

Van Morrison hat im Laufe seiner jetzt über 40 Jahre andauernden Karriere mehr als 40 offizielle Alben veröffentlicht, doch dies ist eines der überragenden und stilbildenden Alben von den vielen Guten. Mit großer Band (Bläser, Klavier, Gitarren und Frauenchor) gleitet Morrison entspannt und immer sehr eigenwillig durch sein eigenes Musikuniversum, das irgendwo zwischen Soul, keltischem Folk, Blues, Jazz und Swing angesiedelt. Bereits der Opener „And It Stoned Me“ – so eindringlich und gleichzeitig entspannt arrangiert, komponiert und singt niemand außer Van. Wie er den Überschwang der Gefühle beschreibt, ohne sentimental zu werden, das ist einmalig. Der Titelsong „Moondance“ mit seiner unnachahmlichen, sich endlos nach oben windenden Strophe zu einem verqueren Swing-Rhythmus – dieser Titel ist so eingängig, so verspielt und so sexy, wie das eben nur geht. Und das kesse Gemecker von Morrison, wenn er wie eine Ziege scattet – einfach nur originell und musikalisch.

Danach klagt Morrison über die „Crazy Love“ – ein klassischer Titel von Paul Anka, aber so sanft gesungen, mit so zart-schmelzenden Frauenstimmen im Chor. Und so geht das weiter über immerhin 10 Eigenkompositionen (mit Ausnahme der „Crazy Love“) – abwechslungsreiche Bläser, wunderbare Arrangements, phantasievolle Chöre. Dieses Album ist auch eine große Fundgrube in Sachen Arrangement und Komposition. Und wenn der Sänger „Into The Mystic“ anstimmt, mit einem wunderbar schaukelnden Rhythmus, zarten Gitarrenlinien zur Begleitung und einem zutiefst emotionalen, ausdrucksvollen Gesang – da muss man sich die Ohren zuhalten, um nicht bezaubert zu sein. Ein Album, wie es das nur selten gibt. Und jetzt wünsche ich mir noch ein gelungenes Remastering – die analoge Mehrspuraufnahme von 1970 hat leider nicht viel Räumlichkeit und nicht die Weite, welche es für diese großartigen Arrangements bräuchte. Aber das hat der unerbittliche Bandleader und Soundtüftler Morrison auf seinen späteren Alben und bei seinen Live-Aufnahmen nachgeholt.

[rating:5]

Manuel Galbán – Blue Cha Cha (2011)

Vermächtnis einen ganz großen Gitarristen

Der Gitarrist Manuel Galban spielte kurz vor seinem Tod 2011 mit diesem Album eine Art Vermächtnis ein. Es beginnt mit zwei klassischen Titeln aus der südamerikanischen Unterhaltungsmusik. Mit dem Titelsong klingen Galban und seine Musiker unfassbar modern und funky. Ein tiefes Bariton-Sax markiert den Groove, Galban steuert wenige funkige Verse bei und der Cha Cha klingt plötzlich ganz modern. Gleich danach „Duele“ – großes Drama einer tiefen Frauenstimme zu Streichern und Gitarre. Wie Sängerin Omara Portuando hier kurz und molto expressivo klagt, das versteht man auch ohne große Spanischkenntnisse. „Bossa Cubana“ bringt uns flotte Unterhaltungsmusik im Bossa Nova Stil. Galban klingt hier nach Mambo, Salsa und selbst Rock’n Roll lässt sich heraushören. Wir hören mit „Batuca“ sehr funky Fusion mit interessanter Instrumentierung. „Alma Mía“, der andere beeindruckende Gesangstitel, schöpft tief aus Jazz (und ist sehr gut gesungen).

Das völlig vibratolose, originelle Spiel von Galbans Gitarre, seine enorme stilistische Weiterlesen

Veröffentlicht unter Review

Térez Montcalm – Connection (2009)

Die Sängerin mit der kratzigen Stimme kann Cover


Térez Montcalm ist die Sängerin mit der leisen kratzigen Stimme, die beim Singen gar viel Geräusche (Gurren, Knurren, Juchzen …) macht und (finde ich) recht gut Gitarre spielt. Ihre große Stärke sind ganz eigentümliche und einfühlsame Interpretationen bekannter und unbekannter Songs von Anderen, die sie durch ihren interessanten Gesangstil und anspruchsvolle Interpretation spannend und neuartig zu Gehör bringt.

Auf Ihrem schon 5. Album aus dem Jahr 2009 bleibt Montcalm diesem Rezept treu. Produziert und einfühlsam begleitet von dem Gitarristen Michel Cusson und Gastmusikern (hervorzuheben der atemberaubend musikalische und wilde Jazzgeiger Jan Luc Ponty bei „Le Requien Danse“, einer Eigenkomposition Montcalms) hebt Montcalm ihre Songs stilübergreifend und sehr abwechslungsreich auf das Podest. Immer spürt sie die Besonderheit eines Liedes auf (bei dem U2-Gassenhauer „Where The Streets Have No Name“ beispielsweise das vertrackte Versmaß und den originellen Rhythmus), immer findet sie (wie bei dem Chanson „C’est Magnifique“ von Cole Porter) eine eigene Musiksprache. Porters Lied zum Beispiel wird von Montcalm gedehnt, das „LaLaLaLa“ fast absurd langsam gegurgelt; der Song hört sich auf einmal ironisch und komödiantisch an und passt. Wenn Montcalm den Gassenhauer „My Baby Just Cares“ anstimmt, dann nimmt sie zwar ein echtes Swing-Tempo (und der Song groovt auch hier wie Hölle). Aber sie zerkaut und raunt die schwüle Schilderung ihres Mannes so verhalten, dass es nicht nur originell, sondern auch angemessen sexy klingt wie es sich für eine richtige femme fatale gehört. Nie klingt es wie nachgesungen oder wie eine lahme Interpretation eines guten Songs. Ebenso wie ihr Album Voodoo aus dem Jahr 2006 ist dies ein ebenso musikalisches wie unterhaltsames Album einer sehr interessanten Musikerin. Unbedingt empfehlenswert.
[rating:4]

Nanci Griffith, One Fair Summer Evening (1998)

Nanci Griffith live – CountryFolkPop einer schönen Stimme


Nanci Griffith veröffentlichte schon 1978 ihr erstes Album und ist mit einer brillianten Singstimme gesegnet, die ihren Gesang durch den Druck und die sanfte Härte geradezu zwangsläufig in die Nähe des Country rückt. Und sie ist eine sehr aktive und überzeugende Songwriterin, deren Songs wie „Love At The Five And Dime“ durch lebensnahe Bilder und Poesie sowie cleveres Songwriting überzeugen. Der ganz große kommerzielle Erfolg blieb ihr wohl nur versagt, weil ihre Alben mit Ausflügen in Pop und Folk schlicht und einfach in kein Formatradio passen und damit bei den „normalen“ Countryhörern nicht ankommen.

Auf diesem 1998 entstandenen Live-Album bringt sie neben einigen eigenen Songs auch interessantes Fremdmaterial. Ihre leise und nachdenkliche Interpretation der Ballade „From A Distance“ ist ebenso überzeugend wie der Opener „Once in a very blue moon“ – Titelsong ihres Albums von 1984. Es wird nie kitschig, nie langweilig und immer wieder faszinierend der Unterschied zwischen Sprech- und Singstimme: Leise und fast quiekig die Ansagen und voll, getragen und durchdringend der Gesang. Griffith begleitet sich (wie ich finde sehr geschmackvoll und gekonnt) selbst auf der Gitarre mit einer sehr umsichtig-zurückhaltenden Band – ein wunderbares Live-Album und zugleich ein guter Einstieg in das Werk dieser völlig unterschätzten Künstlerin.

Allison Moorer, Alabama Song (1998)

Gediegenes Debütalbum mit großartiger Saitenarbeit

Dieses Debütalbum der Schwester von Shelby Lynne hat alle Merkmale einer sehr sorgfältigen Produktion eines Major-Labels. Moorer singt, was sie damals am besten konnte, nämlich (mit wenigen Ausnahmen) langsame Balladen. Ihre warme Altstimme, die sparsame Modulation und der insgesamt eher unsentimentale Ansatz tun den recht schwerblütigen, ausnahmslos von Moorer selbst getexteten Songs gut. Manchmal wünscht man sich allerdings etwas weniger Sentiment oder auch nur eine herzhafte Uptempo-Nummer. Oder auch etwas weniger Pedal-Steel, aber was will man von einem Album aus 1998, als die Dixie Chicks mit Wide Open Spaces gerade aufbrachen und New-Country noch nicht die Fesseln des klassischen Arrangements abgestreift hatte, schon erwarten.

Was dieses Album deutlich über den Durchschnitt hebt, ist der zutiefst geschmackvolle Einsatz von Saiteninstrumenten: Produzent und Gitarrist Kenny Greenberg hatte ebenso wie Gast-Star Buddy Miller ein glückliches Händchen mit den im konventionellen Genre so wichtigen Details: Das ganze Album wird durchzogen von einer Fülle von kleinen und manchmal nur wenige Takte kurzen Licks und Übergängen auf Gitarre, Dobro, Banjo, Pedal-Steel und Strings, die jeweils für sich Oberklasse sind und gerade die getragenen Balladen weiter bringen. Wer einmal zwischen die Gesangsstrophen hört, findet ein Füllhorn von phantasievollen und superben Einsprengseln, die fast schon allein für sich Spaß machen. Und der Sound ist so transparent und natürlich, wie das bei anspruchsvolleren Country-Alben im Gegensatz zur Dutzendware üblich zu sein scheint. So ist das ein wirklich zeitloses Album, das durch seine gute Produktion nicht gealtert ist.

Klar stellar – Shelby Lynne

Dies ist ein sehr ungewöhnliches Cover- und Tribute-Album.

Wer einmal „Breakfast in Bed“ von UB40 mit Chrissy Hynde gehört hat, erkennt eine gute Band, zwei interessante Sänger und einen guten Song. Wenn Shelby Lynne diesen Song bringt, so verrucht und sexy und klagend wie die liebende und klammernde Frau nur klingen kann, wenn sie sich jeder Strophe langsam und fast genüsslich widmet, untermalt nur von sparsamer Begleitung und einem perfekten Hall, dann bekommt dieser ohnehin gute Song eine völlig neue Qualität.Der Hörer wird diese Interpretation Weiterlesen

Top Pop von der Roots-Rock Röhre Soulsister Shelby Lynne

Dies ist vermutlich das Pop-Album, welches Amy Winehouse hätte machen können, wenn sie 10 Jahre länger im Geschäft geblieben und nicht drogensüchtig so früh gestorben wäre:

Das originelle, authentische und absolut abwechslungsreiche Pop-Album mit mächtig viel Retro- und Soul Faktor, mit dem jeder Hörer glücklich werden kann. Aufgedreht und glitzernd wie im Opener „Your Lies“, dramatisch und soulig wie im 2. Titel „Leavin'“, wo Lynne aus Drumbox, Synstrings und unglaublich souligem Gesang das kleine Pop-Soul Ding macht. Schwerer StampfRockPop im 3. Titel „Life is bad“ – nicht so glatt wie Shania Twain, nicht so schlicht wie Sheryl Crow. Danach bei „Thought It Would Be Easier“ eine flüssig-sahnige TR-808 Drumbox und dezente Jazzakkorde auf der Stratocaster und dazu dieser allumfassend soulige Gesang von Lynne. Ganz tief und weich die Leadstimme wie Weiterlesen

Suit Yourself – rückwärts mit dem Stöckelschuh

Suit Yourself ist vermutlich Shelby Lynne’s bestes Album, eine Kombination von beeindruckendem Songwriting, gekonntem Gitarrenspiel der Sängerin und anrührendem, herzergreifendem Gesang. Und doch klingt es so, als wäre das Album mal eben im Vorbeigehen im heimischen Wohnzimmer aufgenommen worden. Der Vergleich mit der durch harte Arbeit erworbenen Leichtigkeit der Schauspielerin und Tänzerin Ginger Rogers sei daher erlaubt.

Shelby Lynne hat ein paar Besonderheiten: Sie sieht zwar gut aus und hat eine Stimme, die von vielen Hörern als „erotisch“ beschrieben wird. Sie ist aber vor allem eine stilsichere und erfahrene Musikerin, die neben ihrem scheinbar völlig entspannten tiefen Gesang auch exzellent Gitarre spielt und deren Songs so clever und raffiniert aufgebaut sind, dass es kaum ein Hörer merkt. Und sie greift immer wieder ganz tief in die Retrokiste, um aus Weiterlesen

Doris Day & The Horn

Wie überragend gut die Unterhaltungsmusiker der 50er Jahre waren, kann man in diesem 1954 enstandenen Album bewundern:

Doris Day, die bekannte Filmschauspielerin und weniger bekannte Swing- und Jazzsängerin trifft auf Harry James und seine Band. James mit seinen machtvollen, kräftigen und originellen Trompetensoli doubelte musikalisch Kirk Douglas, der die Hauptrolle des jungen Trompeters in dem (nach meiner Meinung nicht sehenswerten-) gleichnamigen Film spielt. Für Day war dieser Film die erste richtige Hauptrolle und Beginn ihrer dritten (!) Karriere als Filmschauspielerin.

Doris Day singt viel besser und interessanter, als man das von ihrem Signature-Song „Que Sera“ kennt. Für meinen Geschmack so interessant und stilsicher klingend wie Ella Weiterlesen

Voodoo Child ganz neu – Coverversionen aufregend zerlegt

Teréz Montcalm ist wie die ähnlich im Grenzbereich  zwischen Jazz, Soul, Pop und Irgendwas vagabundierende Holly Cole Francokanadierin. Und eine Könnerin im Interpretieren und Zerlegen fremder Musik.

Seit Rickie Lee Jones, deren Coverversionen bekannter und unbekannter Songs für mich wegen der Ausdrucksstärke immer die Messlatte bleiben, habe ich keine Sängerin mehr gehört, die sich mit so viel Gestaltungswillen und so viel sängerischem Charme über Musik Anderer hermacht. Wie Montcalm nicht nur „Sweet Dreams“ der Eurythmics, sondern auch „Voodoo Child“ von Hendrix oder bei dem z.B. bei James Taylor furchtbar glatt und fast belanglos klingenden Standard „How Sweet it is“ ihre Stücke zerlegt, zerknurrt, raunt, winselt und doch immer eine schlüssige Interpretation abliefert – das ist wirklich einzigartig. Holly Cole, eine andere Francokanadierin im selben Fach, hat sich Weiterlesen

Norah Jones – mit Anderen besser

Eine Zusammenstellung nur mit Kollaborationen von Norah Jones

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[rating: 2]

ist keine schlechte Idee. Denn wer Norah Jones und ihre Plattenkarriere verfolgt hat, weiß um den seichten Kommerz, welcher ihren eigenen Alben anhaftet. Da wird gesoftet und geschliffen, bis es ganz einfach und so aufregend ist wie Nutella mit Weißbrot. Was mir spätestens seit dem wunderbaren „Creeping In“, einem rasenden heiteren Duett mit Dolly Parton auf Jones‘ zweitem Album „Feels Like Home“ (für mich der beste Titel auf diesem Album) klar wurde: Die Jones braucht andere, selbstbewusste Musiker, um sich mit ihren unbestreitbaren Fähigkeiten, ihrer markanten Stimme und dem eigenwilligen Piano entfalten zu können. Damit es nicht seicht wird. Wie Parton am Ende dieser wirklich atemberaubenden und live eingespielten Uptempo-Nummer kichert – so entspannt und eigenwillig möchte man Jones häufiger hören.

Und so zeigt diese Zusammenstellung die andere Seite der Hitparadenkünstlerin: „Ruler Of My Heart“ mit der Dirty Dozen Brass Band zum Beispiel – ein Weiterlesen

Barbara Dennerlein kann Orgel, aber

… ich muss zugeben, dass die B3 nicht mein Lieblingsinstrument ist. Eher für Effekte und Sound als für die erste Stimme. Ein Instrument, ohne das die legendäre Live-Version von Bob Marley „No woman, no cry“ nicht denkbar wäre. Aber auch ein Instrument, mit dessen Hilfe (so oder anders) Horden von Alleinunterhalten Hotelgäste und Besucher von Tanztees quälen. Schubidubi.

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Barbara Dennerlei, die perfekte Technikerin, macht aus dieser Not eine Tugend: Interessant arrangierte Kompositionen, die den Begleitmusikern viel Raum lassen, wilde Bläsersätze (hört sich manchmal an wie Dirty Dozen Brass Band) und witzige Details (wilde Singstimmen, harmonische Spielereien) – die Frau ist eine brilliante Komponistin mit viel Witz. Die etwas gleichmäßige Dynamik der Orgel gleicht die Band aus. Es ist extrem funky, es groovt wie die Sau.

Warum keine 5 Sterne? Es ist zu viel B3 für meinen Geschmack. Und das geht mir sogar bei Jimmy Smith so, und der ist wirklich ein ganz Großer. Und der Sound gefällt mir nicht, er ist zu spitz. Ein relativ geringer Dynamikumfang (DR=9 ist wenig für eine Jazzplatte), sehr spitze Bläser und wo bleibt der Griff zu den tiefen Registern? Wenn mein Lieblings-Orgler Brian Auger in die Tasten greift, dann wackeln vom Bass auch mal die Wände oder es wird ganz langsam. Hier dagegen kling es immer hell und gefällig. Und einige langsamere oder sogar dramatische Nummern (das geht auf der Orgel) wären auch ganz schön gewesen. Aber: Wer es flott und gefällig mag, hat hier viel Freude.
[rating:3,5]

Der Zeit weit voraus mit Tiefe, Schwärze und Orgel

… war dieses Bandprojekt Brian Auger & Julie Driscoll: Streetnoise (1970) wie viele andere Musiker aus den Jahren 1966-1970 auch:

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Eine unwiderstehliche und intensive Mischung aus (modalem!) Jazz, Soul, Blues und Avantgarde brachte Brian Auger zustande mit der unglaublich charismatischen Sängerin Julie Driscoll und anderen Musikern, die später in anderen britischen Combos berühmt wurden. Der treibende und harmonisch ausgefallene Titel „Tropic of Capricorn“, das tiefschwarze Cover „When I was a young girl“, das programmatisch schmerzhafte „Czechoslovakia“, „Light My Fire“ so abgrundtief intensiv und rabenschwarz-sexy wie kaum eine andere Version dieses vielgespielten Titels. Man mag kaum auf einzelne Titel eingehen – jede Interpretation und vor allem auch die Eigenkompositionen sind über jeden Zweifel erhaben und gehören zum Besten, was im Grenzbereich zwischen den genannten Musikstilen in den letzten 40 Jahren zu hören war. Dieses Album glüht wie ein Komet, kein Wunder, dass die Band sich kurz darauf in alle Himmelsrichtungen zerstreute.

Über die merkwürdigen Umstände der Entstehung dieses Ausnahmealbums ist bei Amazon und in den Liner-Notes schon viel geschrieben worden. Den großen Zeitdruck hört man den scheinbar oft im first take entstandenen Aufnahmen teilweise etwas an. Aber wenn Brian Auger die tiefen Register seiner Orgel dazu bringt, buchstäblich die Wände wackeln zu lassen. Wenn Julie Driscoll raunt und ihre Stimme in die tiefsten Lagen zwingt, wenn Drummer Clive Thacker ebenso kraftvoll wie präzise den Grenzbereich zwischen Hardrock (entstand mit Jeff Beck’s Formation etwa zeitgleich) und Jazz auslotet. Das klingt unfassbar modern, absolut zeitlos und ist übrigens auch (play it loud) sehr gut und durchsichtig aufgenommen. DR = 8 (was man beim Hören nicht glauben mag – so laut und leise wie das Album wirkt).

Ein Album für alle, die sich nicht vor intensiver Musik fürchten und wissen wollen, wie weit die moderne Musik schon 1970 war. Und die auch komplexe Harmonien oder heftige Interpretationen vertragen.

[rating:5]

John Hiatt und sein Traumalbum

John Hiatt hatte mit seinem Album Bring the family (1987)

[amazonjs asin=“B000026MZW“ locale=“DE“ title=“Bring the Family“]

eine außergewöhnliche Basis. Gerade vom Alkohol weg wurde er von einem A&R Manager gefragt, was seine Traumband für ein Soloalbum wäre. Nick Lowe (b), Ry Cooder (g) und Jim Keltner (dr) war seine Antwort und diese Drei waren (bei einem so guten Songwriter wie Hiatt nicht verwunderlich) sofort bereit, mit ihm in’s Studio zu gehen. Und heraus kam (nach nur vier Tagen Studioarbeit) dieses Ausnahmealbum, mit welchem Hiatt für die nächsten dreißig Jahre seinen Ruf als erwachsenster aller Song-Writer im Rock festigte.

Hier passte Alles: Faszinierende Rocker und Balladen über die auch ernsten Themen des Lebens. Hiatt wird nie kitschig (allenfalls bei der ironischen Ballade Weiterlesen

Van Halen siegt im Loudness-War

Das neue Album der wieder mit Sänger David Lee Roth vereinten Hardrocker von Van Halen ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie man Musik durch schlechte Aufnahme und Mixdown völlig kaputt machen kann.

[amazonjs asin=“B006UG909U“ locale=“DE“ title=“Van Halen: A Different Kind Of Truth“]

Die Band rackert sich ab. Die Musik (was man hören kann) ist wirklich inspiriert. Wir hören einen unglaublich interessanten Sänger, einen völlig ausgefuchsten Gitarristen, einen ziemlich wilden Drummer und mit Wolfgang VH (der Sohn des Edward) einen dynamischen, vitalen Bassisten. Aber leider hören wir nichts. Nichts. Das gesamte Album ist zusammengematscht und komprimiert in einem Maße, dass man es auf einem 5 cm kleinen Kofferradio- Weiterlesen

Doris Day singt nicht ganz jugendfrei

Doris Day ist den meisten Deutschen nur bekannt aus einer Vielzahl zum Teil obskurer und teilweise sehr zeitgeistiger Filme und Komödien der 50er und 60er Jahre. Mit und ohne Rock Hudson. Mit und ohne Alfred Hitchcock, mit dem Sie (in Ihrem ersten filmischen Auslandseinsatz) den berühmten Film „Der Mann der zu viel wusste (1957)“ drehte. Dort sang sie ihren ganz großen Hit „Que sera, sera“ und dieser wurde zu ihrem musikalischen Markenzeichen. Mit dieser wie betoniert sitzenden Blondfrisur, dem freundlichen Gesicht und diesem clean look ist sie gleichermaßen Ikone der 50er Jahre und Inbegriff der sauberen amerikanischen Hausfrau – patent, freundlich und sauber. Doris Day ist aber auch die ausgefuchste Sängerin mit der nicht mehr jugendfreien Sahnestimme – technisch perfekt, in allen Stimmlagen zu Hause, ausdrucksvoll und nur scheinbar naiv macht sie aus dem banalsten Broadway-Schlager eine stimmliche Verführung des Hörers – scheinbar naiv, bezaubernd sexy und technisch unauffällig brillant. Eine Jazz- und Popsängerin, von deren schöner Stimme und brillanter Interpretation der Hörer heute noch verzaubert sein kann.

Was kaum jemand weiß: Die Filmkarriere war (nach einer kurzen, durch Autounfall im Teenageralter vorzeitig beendeten Tanzkarriere) bereits die zweite Karriere der DD. Zuvor war sie, die 1924 Geborene, bereits die berühmteste und am meisten verkaufte amerikanische Sängerin der Nachkriegszeit. Und eine technisch wie künstlerisch beeindruckende Sängerin, die vor allem mit Jazzcombos und Big-Bands seit ihrem ersten Hit Weiterlesen

Joan Armatrading und die Top-Mucker

Für Whats Inside gab die neue Plattenfirma von Joan Armatrading richtig viel Geld aus. Die Elite der Sessionmusiker (Darryl Jones, Tony Levin , Manu Katche, Alex Acuna <dr, perc>), das Kronos Quartett im genialischen „Shapes And Sizes“, Keyboarder wie Greg Phillinganes und Benmont Tench, Monster-Stimmen wie Terry Evans und Willie Green jr. für die dichten Background-Vocals – hier fehlt nichts zu einem auch aufnahmetechnisch gelungenen Hörerlebnis. Arrangements und Instrumentierung sind (einschließlich der häufiger zu hörenden Streicher) abwechslungsreich und gelungen. Joan Armatrading lässt ihr interessantes Gitarrenspiel immer wieder aufblitzen.

Und doch wirkt das Album etwas beliebig. Alle denkbaren Stile werden abgegrast. Und wer länger zuhört, hat den Effekt eines überproduzierten Erstlingsalbums. Viel reingepackt und es fehlt die große Linie. Manchmal auch zu spektakulär aufgenommen – überall close-mike und starke Kompression, die Rutscher auf der Gitarre sind lauter als die Akkorde. Trotzdem: Wegen der fantastischen Musiker und der interessanten Arrangements mit einer großen Frontfrau ein lohnendes Album.

Dynamic Range: 9 (viel zu wenig für so gute Musiker)

Anspieltipps: Merchant of Love, Shapes and Sizes, Recommend my love (wenn Willie Greene Jr. mit seiner Stimme die Wände zum Wackeln bringt), Can’t Stop Loving You (Memphis Horns sind immer nett), Shape Of A Pony (der fette Bass von Tony Levin und entspanntes Trommeln von Manu Katche zum Kinderlied)

[Rating:3.5]

Patty Griffin – Living with Ghosts (1996)

„Leben mit Geistern“ ist das mittlerweile 15 Jahre alte Debütalbum der amerikanischen Sängerin Patty Griffin. Gänsehaut: Eigenwillig, akustisch, unsingbar gesungen und zutiefst beeindruckend.

Patty Griffin ist die eigenwillige Liedermacherin mit der ganz besonderen Altstimme. Sie überzeugte mit ihrem Demo zu diesem Erstling einen findigen A&R Manager, der ihr sofort einen Plattenvertrag bei A&M verschaffte und das Album unverändert auf den Markt brachte – nur Stimme und Gesang, Gitarre und eigene Begleitung. Heraus kommt ein eigenwilliges, sehr ausdrucksstarkes Album mit viel Substanz. Griffin hat eine erwachsene, nicht wirklich schön klingende Altstimme und zieht beim Singen alle Register, was ihre Interpretationen einerseits sehr ausdrucksvoll macht und andererseits weit von jedem Schönklang und Hitparadengesang entfernt ist. Sie raunt, flüstert, kreischt – das klingt etwas nach den wilderen Interpretationen von Rickie Lee Jones oder Tori Amos.

Die ausnahmslos selbst geschriebenen Songs sind aufregend im besten Sinne. „Let Him Fly“ wurde mit großem Erfolg von den Dixie Chicks gecovert und ist ein unglaublich interessanter Trennungs-Song (und großes Drama). „You Never Get What You Want“ oder „Poor Man’s House“ befassen sich mit ebenso ernsten Themen. Es wird selten heiter, nie kitschig und auch die Texte, erst recht die einschneidenden Interpretationen von Patty Griffin erreichen die tiefsten Tiefen des musikalischen Ausdrucks. Hitparadentauglich ist dieses Album natürlich nicht, Country ist es auch nicht und passt in keine Schublade. Und gerade deshalb wird man es (wer solche schwerblütigen Interpretationen hören mag) wie etwa „Blood On The Tracks“ von Bob Dylan vermutlich noch in 20 Jahren hören.

Joni Mitchell's Blue in Gold

Ein guter Freund hat mir das Album von Joni Mitchell „Blue“ (1971) geschenkt. Aber die ultimative, die Gold-CD – direkt abgenommen vom Masterband, das der damalige Toningenieur1 schon als gelungene Aufnahme aus der frühen Transistor-Ära bezeichnete. Recht hatte er.

Wie großartig die Musik ist, wusste ich schon immer und habe das schon mal bei Amazon.de beschrieben. Aber was für ein perfekter Sound. Ich habe dieses Album zig mal gehört, von der griechischen Strandtaverne (vom Cassettenrekorder) über Vinyl (mit und ohne Hifi) bis hin zur „normalen“ CD von meiner Anlage. Es hörte sich immer gut, ausgewogen und musikalisch an, selbst die teilweise fledermausartig hohen Gesänge Joni’s. Warm klingende (!) Stahlsaiten, der harte Anschlag des Dulcimer, harmonische Bässe, das dumpfe Plockern der Percussions – „All I Want“, der Opener ist musikalisch und aufnahmetechnisch kaum zu übertreffen. Und die nicht wenigen Menschen, welche Mitchell’s Stimme gerade auf diesem Album unangenehm finden, sollen sich einfach von einem guten Freund diese Pressung schenken lassen oder das alte Vinyl aus dem Schrank holen. Gute Freunde muss man haben 🙂

[rating:5] DR = 11

Und wer sich fragen sollte, was ein Dulcimer ist, sieht das hier: Carey ist der dritte Titel von diesem Ausnahmealbum.


  1. Steve Hoffman 

Chucho's Steps – Jazz the Cuban Way

Durch Zufall bin ich auf das großartige Album

Chucho Valdez, Chucho’s Steps

gestoßen. Der 70jährige Valdes hat wie viele berühmte Musiker seines Landes Jazz gelernt, als Kuba das amerikanische Vergnügungsviertel war und es viel Arbeit für Musiker gab. Seine technische Brillianz wird mit Oscar Peterson verglichen. Aber anders als jener lässt Chucho Luft und Platz zwischen den Noten – der späte Miles Davis lässt zum Beispiel in „Julian“ grüßen.

Sein Spiel ist funky, komplex und originell. Er integriert die vielfältigen Rhythmen Kubas in modernen Jazz. Er spielt überragend funky etwa in seiner Hommage an die Marsalis Family „New Orleans“ und zerhackt/rekonstruiert Joe Zawinul’s Hit „Birdland“ so gekonnt, dass sich die oft lustlos abgenudelten Themen dieses wunderbaren Titels sich ganz langsam in das Gehör der Zuhörer winden. Es bleibt dabei immer entspannt und virtuos und … kurzweilig.

Weltmusik und Crossover im besten Sinne – große Musik!

[rating:4] DR = 10

Bestmögliche Begleitung trifft Langsamkeit

Dies ist mit Sicherheit ein schönes Stück Musik schon wegen der grandiosen Begleitung. Als Folksongs begeistern mich die Interpretationen von Gillian Welch

[amazonjs asin=B0053GAO2K] [rating:3.5]

jedoch nicht.

Hoch gelobt in der Presse reißt mich bei diesem Album eigentlich nur das perfekte Zusammenspiel von akustischer Gitarrenbegleitung und Gesang vom Hocker. David Rawlings begleitet so unaufgeregt, seine Tempi sind so fließend und seine Übergänge so Weiterlesen

Mit Bluegrass zur Unsterblichkeit

Ein ehrgeiziges Projekt verfolgte Steve Earle hier: Mit einem einzigen Bluegrass Album zur musikalischen Unsterblichkeit. Bluegrass ist überschaubar und der Versuch gelang mit

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[rating:4.5] DR = 7

1999 und mit ausschließlich eigenen Songs ohne Probleme. Mit der Del McCoury Band und so grandiosen Musikern wie Sam Bush (Fiddle) lässt es Earle von Anfang bis Ende krachen und schmalzen. Rau, erdig, manchmal richtig roh wie beim stampfenden Irish-Folk von

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Half the Perfect World

… ist der Titel des immerhin 4. Albums von Madeleine Peyroux. Und wie die Sängerin auf dem Cover (Blick in die Ferne, die klassische Pose der Melancholie) erscheinen auch die Titel. Meist langsam, immer leise und bis auf eine fette Orgel akustisch begleitet singt Peyroux Material von Leonard Cohen (einem anderen Experten für Melancholie), Chaplin und das wunderbare „River“ von Joni Mitchell zusammen mit K.D. Lang in einer Version, die so langsam, so verträumt wirkt wie ein ganz langsamer blauer Alptraum.

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Man mag das langweilig oder zu verhalten finden. Ich jedenfalls bewundere den Weiterlesen

Oscar Peterson macht Spaß

Immer noch Swingtime, aber heute im Trio mit Spaß:

 

Oscar Peterson war sicherlich einer der fingerfertigsten und technisch brilliantesten Jazzpianisten aller Zeiten. Viele Noten und immer an der richtigen Stelle. Er hat unglaublich viel aufgenommen und hier ist eins seiner besten Alben:

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You run your mouth (and i run my business)

…. brother. Herzlicher als in diesem uralten Swing-Titel können Brüder kaum miteinander umgehen. Joe Jackson hat auf seinem immer wieder schönen Album

[amazonjs asin=B00000HY5I] mit einer kernigen Band und vielen Bläsern den Swing der 40er Jahre wieder auferstehen lassen. Wer Swing für eine langweilige Sache hält, wird hier eines Besseren belehrt:

Wilder Swing-Punk und sehr unterhaltsam: Rasende, komplizierte Bläsersätze (mit auch exotischen Bläsern wie Bassklarinette, Tuba, French Horn), witziger Text, schnelles Tempo und damit ganz im Stil der 40er Jahre, wenn es denn damals Punker gegeben hätte.

Fast jeder Song hat Ohrwurmqualitäten. Es handelt sich um Standards, wie etwas das viel gespielte „Tuxedo Junction“, aber die Interpretation ist außergewöhnlich. Die Bläser spielen in rasendem Tempo um die Wette, teilweise nur noch von der sehr präzisen Rhythmusgruppe um Graham Maby zusammen gehalten. Und dadurch kommt nie die gepflegte Langeweile auf wie bei vielen genretypischen Aufnahmen aus dem Swingbereich. Robby Williams und alle Möchtegern-Crooner drehen sich im Grabe um, wenn sie JJ schmalzen, scatten und croonen hören. Toll sowohl für Pop, als auch für Jazz-Freunde. Und ein aufmunternder Partykracher sowieso.

Steve Earle – Sidetracks (2002)

Ein Flickenteppich mit vielen Perlen ist diese Sammlung 6 eigener und 7 fremder Songs, auf der Earle Material verwertet, welches sich in zehn Jahren Arbeit angesammelt hatte:

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Da haben wir krachenden Irish Folk wie bei „Dominick St.“ – so swingend und akustisch wie direkt von der grünen Insel. Es kommt Filmmusik wie das kernige Stück „Time Has Come Today“ mit einem Gastauftritt von Sheryl Crow, nicht verwendete Versionen anderer Alben (wie die beklemmende Ballade „Ellis Unit One“, wo Earle in Begleitung der Freshfield Four so beklemmend vom Gefängnis singt, als säße er immer noch drin) – das Stück war „über“ vom großartigen Album „I Feel Alright“ und Coverversionen vom Feinsten. Ob krachender Rock wie bei „Breed“ von Nirvana oder in „Time Has Come Today“; ob exzentrischer Akustik-Rock wie bei „Creepy Jackalope Eye“ – Earle findet immer den richtigen Stil, die richtige musikalische Sprache für jedes Material. Kein Wunder, wenn seine Produktionen etwa für Lucinda William für deren Grammy Winner „Car Wheels On A Gravel Road“ (1998) so rund und stilsicher sind.

Wie Earle beispielsweise „Willin“, die Truckerhymne des großen Lowell George erdet und sich knurrend aneignet und damit auch vom leichten Schmalz der Originalversion befreit. Oder „Johnny Too Bad“, ein unglaublich schwerer Reggae, der klingt, als wäre halb Texas im jamaikanischen Roots-Reggae versackt. Oder „My Uncle“ von den Flying Burrito Brothers in einer Live-Version – da werden die Kriegsdienstverweigerer im Bluegrass-Stil besungen. Zuletzt wringt Earle aus „My Back Pages“ von Bob Dylan jedes Stückchen Text aus dieser moralischen Ballade und eignet sie sich buchstäblich an – obwohl praktisch im Original-Arrangement immer auf seine Art.

Immer auf seine Art – ein gelungenes Album mit Sidetracks, die bei anderen Künstler selten im Verlauf einer ganzen Plattekarriere zusammen kommen. Eine der lohnensten Sammlungen von „B-Sides“, die ich kenne.

The Roches – Nurds (1979)

Drei wunderbar singende Nervensägen
Mit ihrem zweiten Album [amazonjs asin=B000002KLO] Nurds reihen sich die drei singenden Schwestern 1979 in den Zeitgeist der feministisch, manchmal auch schräg singenden Gruppen dieser Zeit ein. Wilde Wechsel zwischen betörendem Schön-Gesang und schrägen Dissonanzen und die humorvollen, manchmal bitteren Texte lassen durchweg Spaß und Freude beim Hören aufkommen. Da geht es um die „Nurds“ ebenso wie um „Boat People“ und die „Feminine Position“ – immer mit einem leichten Grinsen und sehr kunstvoll gesungen.
Da die Drei exzellente Harmonie-Sängerinnen sind und interessante Stimmen haben, das Album sehr abwechslungsreich ist machen diese Songs auch heute noch viel Freude.

Das Album ist übrigens auch gut aufgenommen. Ein DR = 14 spricht für sich und den vorsichtigen Umgang mit Kompression.

[rating:4]

Lowell George – Thanks I'll Eat It Here (1977)

Der große Bär mit dem einen Album für die Insel
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Lowell George, der vielseitig begabte und interessierte Sänger mit der schönen weichen Stimme und dem guten Geschmack für alle skurrilen Spielarten der amerikanischen Musik hat hier sein Album für die Insel gezimmert. Kurz vor seinem viel zu frühen Tod schnürte er einen bunten Strauß interessanter und zum Teil sogar abseitiger Songs: „Easy Money“ von Rickie Lee Jones (die Lowell mit entdeckt hatte) in einer treibenden Version mit Bläsern – weniger versponnen und verrucht als Jones auf ihrem Debütalbum. Mexikanische Klänge im romantischen „Cheek to Cheek“, eine raffinierte Version von „Can’t Stand The Rain“ – trickreiche Percussions und viel weniger abgehobelt klingt das als bei Tina Turner und Cassandra Wilson. Vaudeville in „Himmler’s Ring“ – warum nicht? Die Andrews Sisters und die Swing-Ära lassen grüßen. So vielseitig klingt George, ohne sich jemals anzubiedern. Feiner Bläsersatz hier auch.

Und romantisch klingt Lowell bis zum Anschlag in seinen Balladen; „2 Million Things“ und „Find A River“ sind wunderschöne Torch-Songs, unsentimental und gefühlvoll. Nicht zu (s)toppen – der ultimative Crooner des Rock schwingt hier das Zepter. Und was bei seiner Band Little Feat manchmal doch zu sehr nach Jazz-Rock klang, wird hier auf einmal natürliche, originelle Musik. Vergleiche nur die „Two Trains“ von George mit den zahlreichen Einspielungen der Feats. Hier klingt die Musik, dort ist es nur ein vertrackter Song gespielt von einer guten Band. Ebenso der witzige Opener „What Do You Want The Girl To Do“ – nicht nur muss diese Frage einfach gestellt werden. Es ist auch ein Song, dessen wilde Synkopen und trickreichen Harmonien überhaupt nicht auffallen, weil George die ganze Musik locker zusammen hält. Dieses fantastische Album schließt mit einem gefühlvollen Duett. Hammermäßige Musik, feinste Drums von Jeff Porcaro und ein exzellenter Sound runden dieses Album ab.

Was soll ich sagen – viel zu früh ging er dahin und hat uns nur ein Album für die Insel hinterlassen, dessen Perlen auch in 10 Jahren noch glänzen werden.

Holly Cole – Baby It's Cold Outside (2001)

Chanson, Jazz, Kunst und trotzdem Weihnachtslieder

Jede/r Musiker/in träumt von einem Weihnachtshit, der sich millionenfach verkauft und mindestens 10 Jahre lang im Dezember in der ganzen Welt gespielt wird. Tantiemen ohne Ende, eine Art Weihnachtsgeld für aufführende Künstler. Doch meist geht es total daneben – ob Cover oder eigene Komposition. So bemüht und kitschig wie bei Diana Krall wird es meist,

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langweilig – unoriginell, sentimental und das grüne Kleid auf dem Cover reißt es nicht im Mindesten raus.

Anders dagegen Holly Cole. Nicht nur kommt das Grün auf dem Cover wesentlich frischer. Auch die Zutaten sind origineller gemixt.

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Holly Cole kann gut singen. Und hat auch ein ganz feines Gespür für die Interpretation fremder Songs, die sie im Grenzbereich zwischen Jazz, Pop und Chanson zu ihren Eigenen macht. Sie zeigt das hier an Weihnachtsliedern, von denen jedenfalls ich vorher kein einziges kannte.

Es ist abwechslungsreich geworden: Einige unkitschige Orchesterwerke (feine Arrangements des langjährigen Pianisten Aaron Davis) und eine ganz überlegte, dem jeweiligen Song angemessene Interpretation sorgen für musikalisches Wohlbehagen mit Weihnachts-Appeal.

Herausragend das atemlos, fiebrige Sleigh Ride nur begleitet von dem langjährigen Bassisten David Piltch. Rührender Country im Jazz-Gewand in Merle Haggard’s „If We Can Make It Through December“ und großes Duett im Titelsong. Für anspruchsvolle Musikhörer das ein tolles Weihnachts-Album. Und immer ein gutes Geschenk – wenn schon Weihnachten, dann auf diese Art „tongue in cheek“ und abwechslungsreich.

Lyle Lovett – Natural Forces (2009)

Covers, Kunkel und wenig Eigenes. Das neue Album von Lyle Lovett

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Lyle Lovett hat zu diesem Album nur etwa die Hälfte der 11 Songs selbst oder als Co-Autor beigesteuert. Seine eigenen Stücke wie der Titel-Track oder die musikalisch krachende und textlich witzige Nummer „Pantry“ oder auch der vertrackt-moderne Swing von Farmer Brown mit seinen vielen Tempo- und Rhythmuswechseln gefallen mir etwas besser als die Coverversionen von Townes van Zandt, Elskes und Ball, die doch mehr im Modern-Country stehen und mir im Text oft viel zu pathetisch daher kommen.

Was dieses Album gut macht, ist vor allem die Musik: Mitreißend, abwechslungsreich und gekonnt bauen der langjährige Drummer Lovetts Russ Kunkel und Victor Krauss (Bruder von Bluegrass-Star Alison Krauss) mit seinem abgrundtiefen, rollenden und orgelnden Kontrabass auch die kompliziertesten Grooves auf. Einsätze und Tempowechsel wie von einem anderen Stern – treibend, filigran und abwechslungsreich. Pianist Matt Rollings markiert mit seinen typischen Stakkato-Figuren und seiner rollenden Begleitung das Gerüst, auf dem sich Lovett mit seiner minimalistisch-gekonnten Akustikgitarre, Dean Parks sehr geschmackvolle E-Gitarrensounds sowie Stuart Duncan mit seiner ausdrucksvollen Geige tummeln. Duncans Violinspiel ist so tragend und melodiös, dass Sam Bush -selbst ein Superstar mit der Geige- auf diesem Album ausschließlich Mandoline spielt. Und das kommt gut, denn Bush ist mit seinem präzisen Spiel und seinem Rock-Feeling auf der Mandoline eine echte Bereicherung für jede akustische Band. Dies ist eine der besten vorwiegend akustischen Bands derzeit.

Und der Sound dieses Albums ist eine absolute Perle – wie macht Lovett das bloß? Jedes seiner Alben klingt besser als das andere: Durchsichtig das Klangbild, fein ziseliert die Saiteninstrumente, grollend der Bass. Und das Schlagzeug von Russ Kunkel klingt, als würde es im heimischen Wohnzimmer stehen. Das hört man die Becken schwingen und der sanfte Punch der Bassdrum bewegt hörbar ein Trommelfell und nicht einen Sampler. So macht überwiegend akustische Musik richtig Spaß. Und vielleicht gibt es das nächste Mal ja wieder ein paar mehr der lakonischen Songs von Lovett selbst.

David Lindley & El Rayo X – Win This Record (1982)

Talk To The Lawyer – Afghanistan, CIA und all der Rest.

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Dieses 1982 erschienene zweite Soloalbum von David Lindley mit seiner eigenen Band „El-Rayo-X“ ist insgesamt schneller, härter und kommerzieller angelegt als das musikalisch alles überragende Erstwerk „El-Rayo-X“. Die Band hatte nach dem relativ großen Erfolg des Erstlings ausgedehnte Touren absolviert. Dadurch wurde das Zusammenspiel dichter und komplexer.

Der Satzgesang der Band ist komplex und soundfüllend wie selten auf einer Rockplatte. Drummer Ian Wallace knallt eine Rythmusarbeit hin, dass sich die Drumcomputer der 80er anhören wie Spielzeugboxen. Und so spielt sich eine grandios aufgelegte Band durch ein buntes Programm aus Klassikern wie Etta James „Something Got A Hold On Me“, dem heftig groovenden „Brother John“ der Neville Brothers. Man besingt mit „Talk To The Lawyer“ (meinem Lieblingssong des Albums und eine Eigenkomposition) die zweifelhaften Freuden eines Staates mit CIA, Einberufungsbefehlen nach Afghanistan und ohne Anwalt. „Twist And Shout“ – bekannt von Jerry Lee Lewis bis zu den Beatles wird mit peitschendem Rhythmus und aufgedrehtem Gesang so lange durch den Wolf gedreht, bis hier der Partykracher so richtig raus kommt.

Nicht eine Sekunde schlechte Laune; aufgedreht, fröhlich und auf überragend hohem musikalischen Niveau geht es durch die Hinterhöfe der Rockmusik. Die Slide-Gitarre von Lindley singt und jubiliert besser denn je. Und warum dieses Album ebenso wenig wie der Erstling der Band nie in die Charts kam? Weil damals leider die ganze Welt David Bowie, Tina Turner, Queen und ähnliche Stadionrocker hören wollte. – Schade! Ein auch heute noch absolut zeitgemäßes Album. Am Strand, im Auto, beim Joggen – mit dieser Band macht das Leben Spaß und die Musik wird keine Sekunde langweilig oder altbacken.

Starproduzent Greg Landanyi sorgte für einen dichten, angenehmen und durchhörbaren Sound. Bei den Stimmen hört man mit einer guten Anlage oder Kopfhörer buchtstäblich jede der bis zu 6 singenden Lippen. Ein Top-Album und im Wahlkampf 2009 in Deutschland ist meine persönliche Hymne „Better Talk To The Lawyer“ aktueller denn je.

[rating:5]

Jeff Beck & Jan Hammer Group – Live (1977)

Komponist trifft Gitarrist – Live ist besser
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Dieses Album ist ein Glücksfall im improvisierten Jazzrock. Spontan, treibend, musikalisch einfallsreich und für die Freunde des Gitarrenkünstlers Jeff Beck eine Demonstration dessen, was ein guter ausdrucksvoller Gitarrist einer technisch anspruchsvollen aber etwas glatten Band mitgeben kann.

Jeff Beck wollte touren, um sein neues Album „Wired“ vorzustellen. Er suchte sich dafür Jan Hammer und seine Band aus. Die waren bereits damals (bevor Hammer mit dem Miami Vice Titelsong berühmt und reich wurde) bekannt und kommerziell recht erfolgreich. Hammer hat als Keyboarder einen sehr kompromisslosen Stil und Sound. Sehr gutes Timing, präzise Pattern und dazu einen interessanten, manchmal richtig brutalen, fiesen „Keyboard über Gitarrenverstärker gespielt“ Sound. Gut zu hören ist das auf dem Opener „Freeway Jam“ des Albums, wo Beck und Hammer sich gegenseitig mit ihren Instrumenten ausgiebig anhupen, bevor es dann abgeht über die Autobahn. Wäre da nicht die exakte Stereoverteilung dieses Albums – Gitarre und Keyboard wären weder zu unterscheiden, noch als solche zu erkennen.

Jan Hammers Alben dieser Zeit leiden oft an einer für Jazzrock manchmal typischen Glätte – technisch perfekt und anspruchsvoll, aber leider musikalisch eher uninteressant. Dieses manchmal etwas eintönige Jazz-Rock Einerlei bricht Jeff Beck hier mit seinen verspielten, virtuosen und die Band oft sehr fordernden Einwürfen und Improvisationen komplett auf. Er zieht das Tempo an um sofort wieder in lyrische Passagen abzugleiten. Die gesamte Band stoppt auf den Schlag, wenn Beck einen seiner unnachahmlichen Kreischtöne aus der Gitarre holt. Und die fantastisch strukturierte Rhytmusarbeit vor allem auch des brillianten Bassisten Fernando Saunders, der sich oft gemeinsam mit Beck zu längeren Unisono-Passagen aufschwingt, fängt diesen wilden Improvisator immer wieder ein und erdet dessen geräuschhafte Feedback-Spielereien und seine wilden Melodiebögen. Die Songs sind mit einer Ausnahme von Hammer, was jedoch nicht schadet. Beck war damals auf diese Art von Musik abonniert und konnte das einfach. Und Hammer ist wirklich kein schlechter Komponist: „She’s A Woman“ oder der rasende, wilde „Full Moon Boogie“, wo die Band vor lauter Lust an der schnellen Improvisation zuletzt unisono den Refrain mitsingt – diese Stücke sind nicht nur abwechslungsreich und anspruchsvoll, sondern eben auch die perfekte Grundlage für Improvisationen guter Musiker. Darum macht dieses Album auch so viel Spaß.

Vorsicht: Bei der originalen CD ist der Sound dieser Aufnahme etwas höhenarm und wenig hifidel. Was aber zum mittigen Sound von Hammer und Beck ganz gut passt. Nur Bass und Schlagzeug würde man sich etwas deutlicher und detailreicher wünschen. Diesen Wunsch erfüllt eine Neuauflage der CD, die 2008 erschienen ist und remastered wurde. Die swingenden Becken des Drummers, die pulsierenden Bässe von Fernando Saunders – hier hört man, wie jazzig diese Band auch klingen konnte. Unbedingt darauf achten – die Neuauflage der CD lohnt sich wirklich. Eines der wirklich guten Live-Alben im (Jazz-)Rock ist dies aber auch so.

Meine Bewertung: [rating:4]

Lyle Lovett – Road To Ensenada (1996)

Swing, Walzer, Country – Groove und brilliante Songs

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Lyle Lovett ist der einzige mir bekannte swingende Texaner. Auf diesem Album lässt er den Schwermut und den Zynismus beiseite und widmet sich mal ernst (Who Loves You Better – diese Frage musste ein Mann ja mal stellen) und mal entspannt und heiter („Don’t Touch My Hat“, „That’s Right (You’re Not From Texas“) den kleinen und großen Themen des Lebens. War bereits auf seinem grandiosen Album Pontiac schwerster Swing die Grundlage, so taucht dieses Stilelement hier noch häufiger und in faszinierenden Variationen auf: Der brutal schnelle Groove von „Thats Right“

ist neben einigen ähnlichen Werken von Brian Setzer und Joe Jackson wohl der verdammt schnellste und treibenste Swing im Pop überhaupt. Und der konzentriert gleichmäßige, langsam treibende Groove von „Her First Mistake“ treibt auch einen Opa mit Krücken 6:28 Minuten lang voran. Bessere Rhythmusarbeit (Russ Kunkel und Lee Sklar besorgen das) gibt es selten. Und das sind alles keine Jazz-Musiker! Vielleicht mag ich die herzhaften Grooves dieses Album deswegen so sehr.

Der lakonische Humor (diesmal ganz entspannt bei „That’s Right“, wo es wirklich nur um Texas geht), aber auch die zauberhaften kleinen Beobachtungen (der elegante Walzer von „Christmas Morning“) – hier ist Lovett ganz entspannt und ganz bei sich. Seine Band liefert dazu feinste Musik in überragender Klangqualität – wie immer bei Lovett auch 5 Sterne für den Sound und die Produktion.