Bazaar Cassandra in der Neuköllner Oper

Nur noch kurze Zeit auf dem Spielplan: Bazaar Cassandra in der Neuköllner Oper – und es war eine grandiose Inszenierung.

Vom geschickt einfachen und doch allumfassend vielseitig genutzten Bühnenbild über die abwechslungsreiche und in der Tat sinnliche Musik, die von dem Ensemble trotz der durchaus nicht immer eingängigen Arrangements so präzise und im aufmerksamen Miteinander umgesetzt wurde. Von der eindrucksvollsten szenischen Darstellung einer Vergewaltigung, die ich je gesehen habe über den Gesang Linard Vrielinks, der sich eindrucksvoll auch um die leisen und lyrischen Töne seiner Rolle kümmerte bis zum anspruchsvollen Libretto, das die Probleme der Riskoeinschätzung und Prognostik (meine Frau befasst sich beruflich mit diesen Dingen und war sehr beeindruckt) ebenso gekonnt wie beiläufig problematisierte wie die Unfähigkeit der Kommunikation allgemein und mit Politikern und Vätern im Besonderen.

Aber das Sahnehäubchen auf meinem Opernabend war die durch aufwändige, quasi tänzerische Körperarbeit eindrucksvoll hergestellte schier erdrückende Bühnenpräsenz von Maria Hilmes. Wie sie jede jede Bühnenaktion, jede Bewegung wie eine Weltklassetänzerin von den Fußspitzen aufbauend bis in die Fingerspitzen umsetzt, ohne dabei jemals künstlich oder deplatziert zu wirken. Wie sie mit dem ganzen Körper spielt, wo andere Schauspieler auf Grimassen und Manierismen vertrauen – ich habe eine solche sozusagen aus den Fußsohlen kommende, beeindruckende Darstellung zuletzt gesehen, als Jutta Lampe Anfang der 80er in der Schaubühne unter der Regie von Robert Wilson Orlando spielte. Und es war einfach wunderbar, anrührend, gelungen bis hin zu den geschickt als „Running Gag“ verwendeten Handy-Klingeltönen aus der rechten Hand von Hans-Peter Kirchberg – ein toller Opern-/Theaterabend!

Selbst meine norwegischen Gäste (die kaum ein Wort verstehen konnten) waren beeindruckt von dieser Aufführung – und das kann wohl nur Musiktheater leisten. Vielen Dank!