The last acoustic Waltz – Emmylou und die Nashville Rambler nehmen Abschied

Momentan höre ich fast nur Live-Musik und da ist der Live-Mitschnitt auf DVD dieses Konzerts der großen Emmylou Harris und ihrer damaligen Band aus dem Jahr 1995

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gerade richtig. Nach ihrem großartigen Live-Album [amazonjs asin=B000002LQF] ging Harris mit ihrer Live-Band vier Jahre lang ständig auf Tournee und erarbeitete sich in dieser Zeit ein riesiges Repertoire; die Set-List für dieses Konzert umfasst mehr als 40 Titel und dies ist -wie Harris mehrfach grinsend und glaubhaft versichert- nur ein kleiner Ausschnitt aus dem wechselnden Programm der Band. Nie zuvor hatte ich Gelegenheit, ein so langes Live-Konzert als Mitschnitt zu sehen. Und selten sah ich so gute Musiker:

Sam Bush (Geige und Mandoline) rockt auf der Mandoline und schnulzt auf der Geige, dass es nur so kracht. Der alles überragende Gitarrist und Sänger Jon Randall Steward singt mit seiner weichen Stimme die hohen Stimmen und ergänzt so den mehr metallischen Gesang der Bandleaderin so perfekt, das einem immer wieder die Gänsehaut kommt. Seine beiden eigenen Songs gehören definitiv zu den Highlights dieses Konzerts. Es ist schade, das ein so gefühlvoller Sänger und begnadeter Gitarrist so wenig bekannt geworden ist. Die Soli Randall’s sind in Timing und mit ihrer modernen Stimmführung kaum zu überbieten und erinnern immer wieder an den ebenso begnadeten Gitarristen Albert Lee, der früher ebenfalls mit Harris in deren „Hot Band“ spielte. Steward ist trotz seiner jungen Jahre und seiner schönen Stimme übrigens nicht der leibliche Sohn der Bandleaderin. „Davon müsste ich wissen“ versichert sie mit einem breiten Grinsen.  Überhaupt lässt Harris hier keine Sekunde Zweifel aufkommen, wer der Star ist – so abwechslungsreich, so stimmsicher, so ausdrucksvoll singt niemand drei Stunden lang. Und doch ist sie immer „tongue in cheek“ und fügt sich auch mit ihrer unorthodox gespielten Gitarre, die viele Songs allein oder hauptsächlich begleitet immer in das Zusammenspiel der Band ein.

Es ist müßig, hier Höhepunkte zu erwähnen, dazu sind die Interpretationen zu gut und das Niveau der Band zu hoch. Mich haben besonders die langsameren Songs mit dem perfekten Satzgesang der Band beeindruckt, ein packendes Intermezzo von Bush und dem stoisch-zuverlässigen Slidegitarristen Al Perkins mit „Sailin Shoes“ von Lowell George (eine der besten Versionen dieses viel gespielten Songs) und der letzte Titel, als Harris zu ihrem jungen Kontrabassisten (der übrigens bei Bedarf mit seinem Instrument unglaublich abgeht) ihren langjähriges Bandmitglied Roy Huskey, Jr.  (Kontrabass) mit auf die Bühne holt. Er musste das Touren krankheitsbedingt beenden und starb bald nach diesem Konzert 1997 im Alter von 40 Jahren an Lungenkrebs. Sein Auftritt mit der alten Band, sein ruhiger, stoischer Bass im Kontrast zum wilden und stürmischen Stil des neuen Bandkollegen – das ist außergewöhnlich.

Emmylou Harris bezeichnet sich selbst gern als „working girl“ und hatte mit ihren Band „Hot Band“ und „Nashville Ramblers“ immer die besten Musiker bei sich. 3 Stunden lang ist der Mitschnitt dieses Live-Konzerts von 1995 aus der Grand Ole Opry; Harris schloss mit diesem Konzert ihre traditionelle Phase ab und beendete ihre regelmäßige Zusammenarbeit mit den Musikern der „Nashville Ramblers“ – im selben Jahr nahm Harris mit dem Starproduzenten Daniel Lanois ihr erstes Pop-Album „Wrecking Ball“ auf.

Emmylou Harris ist in meinen Augen der einzige weibliche Singer-Songwriter, der ein solches Live-Programm „bringt“ und ihre Band gehörte jedenfalls damals zu den besten Live-Acts der Welt. Der Sound der DVD ist eher mittelmäßig, nur zum Hören taugt der Mitschnitt eher weniger. Die Bildführung und Kameraarbeit ist überdurchschnittlich gut – alle Anschlüsse und Schnitte stimmen, die Soli werden auch im Bild angemessen wiedergegeben. Die DVD ist eine Art „The Last Waltz“ der Country Musik und ein absolutes Muss für jeden Fan dieser Musikrichtung.

[rating:4]